Handwerkliche Fleischverarbeitung

© H.Landwerkstätten
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„Künsteln brauch ich nicht“

Jürgen Körber ist seit 28 Jahren Metzgermeister bei den Herrmannsdorfer Landwerkstätten und als solcher maßgeblich an der handwerklichen Herstellung der Bio-Produkte und deren Weiterentwicklung beteiligt. Wir sprachen mit ihm über die handwerkliche Fleischverarbeitung und Chancen für Bio-Betriebe.

Was bedeutet für Sie handwerkliche, ökologische Fleischverarbeitung?
Körber Handwerk geht für mich über die reine Produktionstechnologie hinaus. Es fängt bei der Haltung und Fütterung der Tiere an, umfasst den Transport, die Schlachtung und auch den Energieverbrauch der Verarbeitung, den Umgang mit den „Abfällen“, sozusagen den food print bei der Herstellung von Fleischwaren. Grundsätzlich gilt da bei allem, weniger ist mehr!

Das heißt eine große Chance für die bäuerlichen Verarbeiter und Direktvermarkter?
Natürlich, weil sie alles in einer Hand haben, das kann sonst keiner. Und sie bieten die für den Kunden immer wichtigere Transparenz: Wo und wie wurde das Tier gehalten, geschlachtet, verarbeitet? Das wird immer mehr hinterfragt, die kurzen Wege gewinnen an Bedeutung. Hier können sie sich maßgeblich unterscheiden.

Wie wirkt sich das in der Qualität aus?
Stressfreie Schlachtung ist die Voraussetzung für gute Fleischqualität. Wenn ich selber schlachte oder eine entsprechende Nähe zum Schlachthof habe, kann ich Warmfleisch verarbeiten, kann ich Wurst herstellen, die mit weniger Zusatzstoffen auskommt als die Bio-Verordnung erlaubt. Ein paar frische Kräuter, gutes Steinsalz; Produkte leben von der Einfachheit. Es geht in erster Linie darum, die Qualität des Ausgangsproduktes zu erhalten. Das ist in der industriellen Fleischverarbeitung nicht mehr möglich.

Klingt einfach, aber was bedeutet das für die hygienische Sicherheit?
Die steht natürlich an erster Stelle. Das Wichtigste für Hofvermarkter ist eine fundierte Ausbildung. Dann bietet eine schnelle Verarbeitung am Hof eigentlich nur Vorteile, denn der schlimmste Feind ist die Zeit, um bakterielle Prozesse in Gang zu setzen, die wir nicht brauchen können. So kommt man auch mit der Hälfte an Nitritpökelsalz aus.

Ist Bio-Produktion einfacher geworden, weil die Zutaten, Verarbeitungshilfsstoffe und Zusatzstoffe leichter erhältlich sind?
Grundsätzlich ja, aber für mich war es das vorher auch schon. Acerolakirschen aus Südamerika und Kutterhilfsmittel sind für mich nicht notwendig. Auch mit Gewürzmischungen fang ich nicht viel an. Die mach ich mir selbst, was im Übrigen auch viel günstiger ist. Mein Tipp: Immer Einzelkomponenten kaufen, das ist billiger und macht das Produkt individueller. Das wenige, das ich brauche, kaufe ich aber dann in bester Bio-Qualität. Künsteln brauch ich nicht.

Was wäre ein gutes Sortiment für Einsteiger?
Eine Kochwurst im Glas, Bratwürste, eine Brühdauerwurst, wie sie traditionell ohnehin in vielen Regionen Österreichs gemacht wird. Geräuchertes und Geselchtes nach eigenem Hausrezept.Und zur Ergänzung ein paar Convenience-Produkte wie Suppe, Bierfleisch, Gulasch, Bolognese. Ich brauche dafür nicht gleich einen Maschinenpark, ich kann die Produktpalette auf meinen Hof ausrichten, klein anfangen, natürlich in passenden Räumlichkeiten, experimentieren, da reichen ein Fleischwolf und ein Selchraum. Zum Beispiel für Convenience-Produkte, die sich gut verkaufen lassen. Oder ich kann mir die Warmfleischzubereitung für einfache Würste auch einfrieren, später portionsweise aufarbeiten. Ein Kutter kann immer noch dazu kommen. Eine gute Investition sind für mich Reifebehälter oder vielleicht sogar eine kleine Reifekammer, damit kann ich gutes „dry aged“ Fleisch am Knochen länger reifen lassen, als es mir ein Lohnverarbeiter ermöglicht. Außerdem spart es Plastik.

Was ist in Zukunft in der Fleischverarbeitung angesagt?
Ich würde sagen „Mulitkulti“, damit meine ich neue Arten der Fleischzuschnitte. Außerdem sehe ich Halbfertiges wie Kotelett in fertiger Soße groß im Kommen. Das heißt, wir bereiten es vor und der Kunde zu. Da bin ich allerdings noch am Tüfteln für nachhaltige Verpackungen.

Als Referent sind Sie von Skandinavien bis Österreich unterwegs, welches Bild bekommen Sie da?
Es gibt eine Bewegung unter den Biobauern, viele wollen das Beste für ihre Tiere, sie möchten wissen, was mit den Tieren passiert, wie ihr letzter Weg ist. Das ist oft der Beginn der Fleischverarbeitung am Hof, nicht so sehr der Preis. Wir müssen auch kommunizieren, uns gesellschaftlichen Entwicklungen stellen: Weniger Fleisch, aber dafür mehr Qualität. Das gelingt nur auf emotionaler Ebene, in Kundennähe. Biobauern sind für mich die Lebensmittelhandwerker der Zukunft.