Gemüse aus Gärtners Garten

Folientunnel
© BIO AUSTRIA / Cristina Steiner

Auf der Suche nach zukunftsfähigen, nachhaltigen Systemen, Lebensmittel zu produzieren, besinnt man sich auf eine alte Form der Landnutzung: Weg von der industriellen, maschinengestützten Landwirtschaft am Feld hin zur handwerklichen Arbeit im Garten. Das Prinzip nennt sich Marktgärtnerei und verbreitet sich schön langsam auch in Österreich. Bio ist dabei selbstverständlich.

Knackige Zuckerkarotten, junge Radieschen und zarte Schnittsalate, daneben frischer Spinat, rote Rüben und ein dicker Buschen gekräuselte Blätter Palmkohl. Dazwischen unscheinbare creme-beige Knollen – Topinambur, wie der Blick in den Gartenbrief, der auch gleich noch Rezepte dazu parat hält, verrät. Was für eine bunte Gemüsevielfalt mitten im Winter! Das ist umso bemerkenswerter, als sämtliches Gemüse hier beetfrisch im Kisterl liegt, geerntet vom Gärtner ums Eck. Erfordert das in unseren Breiten nicht hohen Heizaufwand? „Wir ziehen unser Gemüse ausschließlich im Freiland oder im unbeheizten Folientunnel“, sagt dazu Alfred Grand aus dem Tullnerfeld, „Es ist hier tatsächlich möglich, ohne vermehrten Energieaufwand regional und saisonal das ganze Jahr hindurch zu produzieren“.

Bodengesundheit als A und O

Das Grandsche Gemüse aus Absdorf gibt es mit einer kurzen Pause im März das ganze Jahr über. Im Sommer natürlich in einer noch größeren Vielfalt, darunter viele alte Sorten, die man in keinem Supermarkt findet. Die wöchentliche Ernte wird in Gemüsekisterl verpackt und für die Abonnenten an nahe Abholstationen gebracht. Saisonal, Bio und sogar lokal statt nur regional. Das spart natürlich enorme Transportwege, Stichwort: Klimaschutz, aber das ist noch lange nicht alles, was die sogenannte Marktgärtnerei (auch diesbezüglich) leistet. Alfred Grand ist einer der Pioniere in Österreich: „Der große Unterschied zur industriellen Landwirtschaft sind unsere kleinen Strukturen: hier ausgedehnte Felder, bei uns kompakte Beete. Dort gigantische Maschinen, bei uns so gut wie nur Handarbeit“. Das entlastet den Boden, der damit nicht verdichtet sondern schön locker bleibt, aufgrund der biologischen Arbeitsweise wird zudem auf Pestizide und Mineraldünger verzichtet. Dieser ausgezeichnete Boden ist die Basis für das vitale Wachstum in den Gemüsebeeten, die solchermaßen bestellt ein mehrfaches an Flächenertrag bringen als am großen Feld. Außerdem kann ein lockerer Boden selbst bei Starkregenereignissen noch Wasser aufnehmen.

Das Prinzip Marktgärtnerei

„Beete werden einmal angelegt und bleiben dann für viele Jahre bestehen. Betreten werden nur die Wege dazwischen. Wir arbeiten mit Mulch und Kompost und gegebenenfalls mit Insektenschutznetzen. Bewässert wird unter der Erde, was enorme Mengen an Wasser spart, zudem setzten wir Windschutzhecken, das reduziert die Verdunstung und ist gut für die Artenvielfalt“, redet sich Alfred Grand in Fahrt, „Ist die Saison für eine Kultur vorbei werden gleich die Jungpflanzen für die nächste gesetzt. So können wir ein Beet bis zu viermal im Jahr bespielen. Das bringt uns hohe Erträge, wir sprechen von bio-intensiver Methode. Dabei ist unser Ziel ganz klar, das natürliche Ertragspotential des Standortes zu nützen, ohne ihm zu schaden! Wir leben hier einen natürlichen Kreislauf“. Durch die Handarbeit lässt sich die Fläche dichter besetzen, wohingegen am Feld Platz für die Maschinen bleiben muss. Zudem ermöglicht sie die große Vielfalt, denn Hände können Karotten wie Kohlsprossen, Zucchini und Gurken gleichermaßen ernten, während teure Erntemaschinen immer spezialisiert sind. Durch diese Vielfalt streut sich auch das Risiko, fällt eine Kultur mal Witterung oder Schädlingen zum Opfer, kompensieren das die Erträge der anderen.

Ein Schritt Richtung Unabhängigkeit

Im Grand Garten in Absdorf wachsen auf 7000 m2 Beetflächen das Jahr über gut 50 verschiedene Kulturen, teilweise in zig unterschiedlichen Sorten. Damit versorgt er gut 180 Abonnenten 46 Wochen im Jahr mit frischem Gemüse. Das klingt jetzt nicht so viel, aber genau diese kleinen Strukturen sind es, um die es sich bei der Marktgärtnerei dreht, Grand weiter: „Meine Vision ist ein kleiner Produktionsbetrieb in jedem Ort. Damit bleiben wir immer schön regional und die Ware legt keine hunderte von Kilometern im Lkw zurück, bevor sie am Teller landet“. Ließe sich Österreich ausschließlich damit ernähren? „Wir sehen uns als Ergänzung: Derzeit liegen wir bei Gemüse bei einem Eigenversorgungsgrad von etwas mehr als der Hälfte. Durch viele Marktgärtnereien könnten wir da bis auf 70, 80 oder 90 Prozent kommen“, hat sich Grand ausgerechnet.

Gefrorener Salat.
© Wolfgang Palme

Eine Idee verbreitet sich

Marktgärtnereien schaffen zudem fixe Jobs im ländlichen Raum bzw. ermöglichen jungen Leuten den Einstieg in die Landwirtschaft, da sich die Investitionskosten im Rahmen halten. „Klein genug, überschaubar, geringes Einstiegskapital – nachdem uns das Buch ‚The Market Gardner‘ in die Hände gefallen war, war uns klar: Das wollen wir machen“, erzählt etwa Bernhard Steinhauszer aus Graz, der mit seiner Frau Johanna den Traum hatte, in die Landwirtschaft einzusteigen. Das junge Paar zählt zur ‚Generation Klimakrise‘ und möchte Teil der Lösung sein. Zunächst wurde im Hausgarten experimentiert und eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert, danach kam der Sprung ins kalte Wasser, Bernhard: „Wir bekamen eine Pachtfläche, die jahrzehntelang als Weide genutzt worden war. Ein idealer Boden, den wir mit Bio-Kompost und Mulch, mit reiner Handarbeit und großer Vielfalt hegen und pflegen.“ Der Absatz macht ihnen in der Stadt Graz keine Sorgen. Sie sind stolz darauf, dass ihnen bereits im ersten Jahr keine Ware verdorben ist – so gut wie alles wurde an Frau und Mann gebracht.


Nicht weit davon entfernt, in St. Margarethen an der Raab, hat Arjuna Gratt die kleine Bio-Landwirtschaft seiner Eltern in eine Marktgärtnerei verwandelt: „Ich wollte immer etwas mit Gemüse machen und möchte auch davon leben. Theoretisches Fachwissen habe ich von meinem Studium der Agrarwissenschaften an der Boku, die Praxis kommt nach und nach. Ich gehe jetzt in die dritte Saison, so richtig wirtschaftlich rechnen wird es sich dann ab 2024“. Auch für ihn ist ein guter Boden die Basis des Erfolgs. Geringe Transportwege und kleine Strukturen, die die ökologische Vielfalt fördern, streicht er ebenfalls hervor. „Ich produziere zielgerichtet und werfe keine Ware weg. Meine Vertriebswege sind Bauernladen und -markt und natürlich der Verkauf von Ernteanteilen für jeweils ein ganzes Jahr“, setzt Arjuna auf das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft: Die Kunden zahlen einen Mitgliedsbeitrag, bekommen dafür ihr Gemüse, verzichten bei Ernteausfällen aber auf Ersatz.

Ausgerechnet im Marchfeld, der Korn- und Gemüsekammer Österreichs, haben Markus Alena-Niemann und seine Frau Sabine ihre Marktgärtnerei eröffnet. Während die Nachbarn mit riesigen Maschinen aufs Feld fahren, wird hier in hundert Beeten auf einer Fläche von rund 2000 m2 Gemüse in Handarbeit gezogen. „Ich habe Landwirtschaft studiert und war lange im Bio-Marketing tätig aber nie in der Praxis. Als ich dann schon über 50 Jahre alt war und mich beruflich neu orientieren musste, kam ich über eine Tagung auf das Thema Marktgärtnerei. Das Investitionsvolumen war überschaubar, die Flächen hatte ich direkt vorm Haus“, erzählt Markus, wie er spät berufen zur Praxis kam, „Also wagte ich den Versuch. Es entwickelt sich alles prächtig, ich gehe davon aus, dass es sich nach der Startphase auch wirtschaftlich rechnet“. Ehrliches Handwerk und direkter Kontakt zu den KonsumentInnen – ist das die Zukunft? Das wollen wir unserem Planeten jedenfalls dringend wünschen.

Bio-Marktgärtnereien – David gegen Goliath

  • Alfred Grand, Absdorf
    Einer der Pioniere der Marktgärtner hierzulande. Seine Wünsche an die Politik: u.a. ÖPUL-Förderungen auch für kleine Strukturen, spezialisierte Ausbildungsmöglichkeiten, einfachere Genehmigungsverfahren etwa für Folientunnel, Mehrwertsteuerbefreiung für lokales Gemüse.
    grandgarten.at
  • Johanna und Bernhard Steinhauszer, Graz
    Rund 30 verschiedene Kulturen in 130 Sorten, Abokisterl von Anfang April bis Mitte November direkt im Bauernladen abzuholen.
    unserbauerngarten.at
  • Arjuna Gratt, St. Margarethen an der Raab
    Produkte erhältlich am Bauernmarkt, im Bauernladen und über jährliche Ernteanteile. Rund 40 unterschiedliche Kulturen in 100 Sorten.
    www.facebook.com/Ernteschwung
  • Sabine Alena und Markus Alena-Niemann, Oberhausen
    Ca. 50 verschiedene Kulturen, die vorzugsweise am 4 km entfernten Markt in Großenzersdorf sowie über Vielfaltstaschen zur Abholung vertrieben werden. Auch gibt es einen Hofladen.
    www.buntgemuese.at

Anita Ericson