Die Leute kaufen kein Bio mehr? Von wegen!

© Matthias Nester

In den vergangenen Wochen wurde im Zusammenhang mit der steigenden Inflation immer wieder auch über aktuelle und kommende Preisanstiege bei Lebensmitteln, sowie über geändertes Konsumverhalten berichtet. Einige Schlagzeilen haben den Eindruck vermittelt, dass Bio-Lebensmittel besonders davon betroffen wären.

Doch ist da wirklich etwas dran?

Nein, wie sich nach einem Blick auf die Fakten schnell herausstellt.

Die aktuellsten vorhandenen Absatz-Zahlen für das erste Quartal des laufenden Jahres weisen laut RollAMA – einer regelmäßigen Erhebung der AMA-Marketing – keinen Umsatzrückgang bei Bio im Lebensmitteleinzelhandel auf. Im Gegenteil, Bio konnte insgesamt zulegen und liegt bei 12,5% wertmäßigem und 14% mengenmäßigem Anteil an den Lebensmittelumsätzen.

Diese Tendenz zeigt sich auch im Einzelhandel

Auch der Lebensmitteleinzelhandel sieht nach wie vor eine ausgeprägte Bio-Nachfrage. „Von einem Umsatzeinbruch könne keine Rede sein“, zitiert die Wochenzeitung Falter (Ausgabe Nr. 24/2022, „Luxus“) eine Aussage aus dem REWE-Konzern (z.B. Billa, Billa Plus). Die Kronen Zeitung (Ausgabe Steiermark, 26.6.) zitiert die Pressesprecherin von SPAR mit den Worten: „Die Nachfrage nach Bio-Produkten ist nach wie vor groß“.  Die Zuwachsraten wären zwar nicht mehr ganz so hoch wie in den „fetten“ Jahren zuvor – gemeint sind die COVID-Jahre 2020 und 2021 -, mit einem „Plus von fünf Prozent“ von Jänner bis Juni 2022 wäre man aber „sehr zufrieden“. Und auch im Großhandel ist kein Rückgang zu verzeichnen, wie die Salzburger Nachrichten in einem Artikel (17.6.2022, „Salzburger kaufen mehr bei Bauern ein“) schreiben. Seitens des Großhändlers Transgourmet heißt es dort zur Nachfrage nach Bio-Lebensmittel: „Sie bleibt auf einem sehr hohen Niveau stabil und wächst seit 2020 laufend.“

Bio-Lebensmittel sind also – anders als so manche Schlagzeile noch vor wenigen Wochen ohne Beleg weis machen wollte – nicht in besonderem Maße von einem Umsatzrückgang betroffen.

Preisdifferenz von Bio und Konventionell schmilzt

© Matthias Nester

Zu beobachten ist in den letzten Monaten allerdings eine Annäherung der Preise von konventionellen und Bio-Lebensmitteln im Lebensmittelhandel. Konventionelle Lebensmittel unterliegen in den letzten Monaten durchschnittlich deutlich stärkeren Preiserhöhungen (Regalpreise). Oder, wie ein Artikel des Magazins Trend (Nr. 03/2022, „Die Rückkehr der Diskonter“) es formuliert: „Zum Glück für die Biobauern verkleinert sich die Preisschere zu konventionellen Produktion derzeit, weil sie weniger von den teuren Düngemitteln einsetzen.“ Genau genommen setzt Bio gar keine Kunstdünger ein, die hier wohl angesprochen wurden. Aber man weiß, was gemeint ist.
Nämlich, dass die steigenden konventionellen Regalpreise wohl zum größten Teil den aufgrund der ansteigenden Energiepreise massiv höheren Kunstdünger-Preisen zuzuschreiben sind. Bio-Landbau ist von fossilen Grundstoffen hingegen weitgehend unabhängig.

Ein weiterer Trumpf ist, dass die Bio-Landwirtschaft in Österreich nicht auf Futtermittel-Importe von weit her angewiesen ist, weil die Tiere regionale und österreichische Futtermittel bekommen. Stichwort Kreislaufwirtschaft.

Beides macht Bio – neben vielen anderen Faktoren – resilienter und damit krisenfester.

Wie geht es im Lebensmittelbereich weiter?

Wie sich die Entwicklung weiter gestaltet, kann derzeit niemand seriös prognostizieren. Das käme wohl dem Lesen aus einer Kristallkugel gleich. Insgesamt ist die wirtschaftliche Situation und damit auch das Konsumverhalten im Moment jedenfalls von Unsicherheit geprägt. Für viele Bereiche der Wirtschaft ist das meist keine gute Nachricht. Denn wer verunsichert ist, gibt weniger Geld aus und/oder verteilt seine Ausgaben anders. Das macht sich natürlich auch im Lebensmittelbereich bemerkbar.

Es ist aber nicht absehbar, wie sich die wirtschaftliche Gesamtsituation und damit Preisentwicklungen sowie Einkaufsverhalten bzw. der Absatz – auch von Lebensmitteln -, die von vielen unterschiedlichen Faktoren bestimmt wird, weiter entwickeln wird.

Viele offene Fragen

Werden die Menschen ihr Geld in Urlaub investieren? Wenn ja, wo werden sie im Gegenzug sparen? Werden die Leute – wie sie das derzeit nach zwei Jahren der gezwungenen Gastro-Abstinenz sehr gerne machen – auch dann ins Gasthaus gehen, wenn der Geldbeutel bei möglicherweise länger anhaltender Teuerung doch enger sitzen wird? Oder werden sie dann vielleicht doch wieder eher überwiegend zuhause essen, und damit mehr Lebensmittel kaufen? Falls sie das tun, werden sie sich erneut mehr für hochqualitative Bio-Lebensmittel entscheiden, wie sie das während der gesamten Corona-Krise noch stärker als sonst getan haben?

Seriöse Antworten auf diese Fragen kann man derzeit nicht geben. Denn diese hängen in erster Linie von der weiteren Entwicklung der entscheidenden Rahmenbedingungen (Krieg, Preisspekulationen, Energiepreisentwicklung, Teuerung insgesamt, Lieferketten usw.) ab.

Werden Bio-Umsätze weiter wachsen?

Basierend auf dem Konsumverhalten über die letzten Jahrzehnte kann prinzipiell davon ausgegangen werden, dass Bio weiterhin wachsen wird.

Wahrscheinlich ist, dass es nicht mehr auf dem außerordentlich starken Corona-Niveau der letzten zwei Jahre wächst, sondern sich auf ein „normales“ Vor-Krisen-Wachstum einpendelt.

In den vergangenen zwei Jahren war ja bekanntlich ein überdurchschnittliches Absatz-Wachstum bei Bio-Lebensmitteln zu verzeichnen. 2020 sind die Umsätze im Lebensmittelhandel um 23% gestiegen. Über alle Vertriebswege (Ab-Hof/Direktvertrieb, LEH, Fachhandel, Gastronomie) gerechnet war ein Wachstum von 15% zu verzeichnen.  Es liegt in der Natur der Märkte, dass sich eine derart steile Nachfrage-Kurve auch wieder abflacht. Grund zur Besorgnis ist das keiner. Ewiges Wachstum – noch dazu auf diesem Niveau – gibt es eben nicht. Nicht einmal in den gegenwärtig sehr außergewöhnlichen Zeiten.