Mit Bio groß werden
Sandra Reischauer ist Biobäuerin und Tagesmutter. Seit 15 Jahren betreut sie auf ihrem wunderschönen Biohof im Hausruckviertel, Oberösterreich neben ihren eigenen Kindern auch noch Tageskinder. Als landwirtschaftliche Quereinsteigerin spricht sie über das Leben auf einem Biohof und wie sich ihr Beruf als Tagesmutter mit dem Alltag einer Biobäuerin und Mutter dreier Kinder kombinieren lässt.
Liebe Sandra, erzähl doch ein wenig von dem wunderschönen Hof auf dem wir uns gerade befinden.
Ursprünglich bin ich gar nicht von hier, sondern aus Bayern. Bei der Taufe von unserem ältesten Kind vor 20 Jahren wurden mein Mann und ich gefragt, ob wir den Hof von Onkel und Tante übernehmen möchten. Nach einer kurzen Bedenkzeit haben wir uns dafür entschieden und sind nach wie vor sehr froh darüber, diese Chance genützt zu haben. Als wir den Hof übernommen haben, waren noch Kühe am Betrieb. Wir haben uns dann aber sehr schnell dazu entschlossen auf Schafe umzusteigen, denn die Felder waren schon verpachtet und wir wollten die Landwirtschaft nur im kleinen Rahmen weiterführen. Die Schafe und Gänse grasen unter unserem Obstgärten und ersparen uns quasi das Ausmähen. Unsere Kinder sind auch schon etwas in der Landwirtschaft tätig. Unsere Söhne versorgen die Wachteln, und kümmern sich um die Hasen.
Als gelernte Kindergärtnerin bist du es gewöhnt, dich um viele Kinder zu kümmern. Wie kam es dazu, dass du als Tagesmutter angefangen hast? Wie viele Kinder betreust du normalerweise an einem Tag?
Angefangen hat es damit, dass, als unsere zwei Mädels noch klein waren, ich öfters auf die Kinder einer Freundin aufgepasst habe. Ich merkte, dass es sowohl für meine eigenen Kinder als auch meine Tageskinder eine Bereicherung ist. Zusätzlich zu meinem Dasein als Biobäuerin und Mutter wollte ich sowieso noch etwas machen. Da ich gleich wieder im Kindergarten angefangen habe zu arbeiten, ist mir oft die Zeit für Tätigkeiten daheim abgegangen – der Beruf der Tagesmutter ließ sich da einfach besser kombinieren. Die Ausbildung zur Tagesmutter habe ich 2005 absolviert. Zusätzlich zu meinen zwei eigenen Kindern habe ich dann noch zwei weitere Kinder pro Tag betreut. Insgesamt dürfen von einer Tagesmutter 4 Kinder unter 12 Jahren an einem Tag betreut werden – die eigenen miteingerechnet. Wenn die Kinder noch kleiner sind, kann die Betreuung natürlich sehr aufwendig sein. Neben der Pflege muss dann ja auch noch gekocht werden – da gab es schon sehr intensive Zeiten. Derzeit betreue ich an drei Nachmittagen Volksschulkinder, die ich direkt nach der Schule abhole. Die 4.-Klässler kommen aber jetzt sogar schon selbst mit dem Rad zu mir, da sie schon die Radfahrprüfung geschafft haben. Es ist für mich eine Erfüllung meinen früheren Beruf als Kindergärtnerin zu Hause ausüben zu können.
Wie sieht bei dir ein ganz normaler Tag als Tagesmutter und Biobäuerin aus?
Gleich in der Früh werden von mir die Tiere versorgt. Am Vormittag habe ich momentan keine Kinder, da erledige ich alles, was rund um Haus und Hof zu tun ist. Zusätzlich unterstütze ich derzeit mein eigenes Kind im Homeschooling. Zu Mittag koche ich dann frisch und hole die Kinder von der Volksschule ab. Dann wird gegessen und die Hausübung gemacht. Was danach passiert, ist von Wetter, Saison und den Bedürfnissen der Kinder abhängig. Viele Kinder sind sehr glücklich darüber, wenn sie einfach draußen rund um den Hof spielen können. Da gibt es sowieso immer etwas zum Entdecken. Wie lange die Kinder bei mir bleiben, ist ganz unterschiedlich. Früher waren die Kinder teilweise schon um 7 Uhr in der Früh da. Wenn zum Beispiel die Mütter im Verkauf arbeiten, dann werden sie aber auch teilweise erst zu Mittag oder am Nachmittag gebracht und erst gegen halb 8 geholt. Flexibilität ist da sehr wichtig.
Da die Tageskinder viel Zeit hier verbringen, erfahren sie viel darüber, was auf einem Biohof so los ist. Was gibt es für die Tageskinder am Biohof zu tun?
Ich versuche, die Kinder so gut wie möglich in den Bio-Betrieb einzubinden. Es wird gemeinsam Obst geerntet und beispielsweise zu Kompott oder Saft weiterverarbeitet. Wenn die Kirschen reif sind, werden sie gemeinsam entkernt und eingeweckt oder auch die Nüsse gesammelt, getrocknet, geknackt und teilweise später sogar zu Weihnachtskeksen weiterverarbeitet. Die Kinder bekommen definitiv einen Bezug zur Landwirtschaft und lernen viel über die Praxis in der Bio-Landwirtschaft. Wichtig ist aber, dass die Kinder auch Spaß an der Sache haben! Vor ein paar Jahren, als ich noch mehr Kinder betreut habe, hatten wir auch noch Ponys. Die waren bei den Kindern sehr beliebt. Da wurden die Ponys geputzt, gefüttert und gestreichelt. So viele verschiedene Tiere hier zu haben, passt einfach auch super zu unserem Betriebskonzept. Wenn mein Mann und ich nur in der Landwirtschaft tätig wären, wäre das vielleicht auch gar nicht möglich. Die ganze Situation ist einfach eine Win-Win Situation: ich kann am Hof Dinge erledigen, bin bei meiner Familie zuhause und kann auch noch weitere Kinder betreuen. Natürlich wäre ich ohne Kinder beispielsweise beim Marmelademachen schneller, es ist aber irgendwie immer wieder besonders.
Was finden die Tageskinder am Biohof besonders spannend? Welche Dinge nehmen sie speziell durch die Betreuung am Biohof mit?
Meine Tageskinder sind allesamt sehr unterschiedlich, deshalb kann man das jetzt nicht so pauschal sagen. Manche Kinder sind sehr tierliebend, die bereichern sich dann eher an den ganzen Tierbabys und am Versorgen der Tiere. Es gab auch Kinder die schon in der Früh herkamen und sagten „Hast du eh mit der Stallarbeit auf mich gewartet?“
Ein gemeinsames Ritual nach dem Mittagessen ist auch das Eier Abnehmen. Manche Kinder genießen einfach, wenn sie ganz viel rund um den Hof herumlaufen können. Viele Kinder haben auch bei mir das Radfahren gelernt, weil wir einfach so abgelegen sind. Generell sind die Kinder einfach sehr gerne draußen. Oft werden sämtlich Fahrzeuge – wir haben schon einen ordentlichen Fuhrpark – rausgeholt und richtige Wettrennen veranstaltet.
Was denkst du, welchen Mehrwert versprechen sich Eltern davon, dass sie ihr Kind bei einer Tagesmutter auf einem Biohof betreuen lassen?
Ich denke, wenn sie die Auswahl haben: Tagesmutter mit Wohnung oder Tagesmutter mit Biohof, dann kommen sie natürlich gerne hierher.
Ich finde, der Umgang mit den Tieren ist auch deshalb ganz wichtig, weil sie ein Gespür für andere Lebewesen bekommen. Die Tiere bringen die Kinder einfach auch etwas runter. Sie müssen, wenn wir im Stall sind, gewisse Regeln einhalten. Das Streicheln der Tiere ist sehr beruhigend für die Kinder, aber auch für mich. Sie lernen dadurch auch, dass ein Lebewesen Pflege braucht, beispielsweise, dass immer frisches Wasser da sein muss, und dass man sich schlicht und einfach darum kümmern muss.
Hast du für uns ein paar Tipps, wie man Kinder einfach für die Natur begeistern kann?
Ich denke, dass ist sehr von der eigenen Einstellung abhängig. Wenn ich selber mit Begeisterung meine Karotten aus dem Acker ziehe oder mich freue, wenn ein kleines Lamm auf die Welt kommt, dann überträgt sich diese Begeisterung auch auf die Kinder. Die Kinder kann man dadurch sicher mitbegeistern. Wenn ich weiß, dass die Palatschinken aus den eigenen Eiern gemacht wurden und mit der eigenen Marmelade gefüllt sind, dann schmecken die besonders gut. Das spüren die Kinder natürlich auch.
Mir ist es außerdem sehr wichtig, dass in dem Umfeld in dem sich die Kinder aufhalten, wirklich nichts gespritzt ist und dass man auch die Äpfel ganz ohne Bedenken einfach so vom Baum nehmen und reinbeißen kann. Ich finde, dass man sich einfach dort, wo man sich aufhält, mit der Natur lebt, zählt definitiv zu den wichtigsten Dingen im Leben. Damit diese Werte auch weitergegeben werden können, ist es entscheidend, selbst davon überzeugt zu sein, was man tut.
Infos zum Biohof
- Bio seit 2007
- 3 ha Wiese mit Streuobst
- Merinoschafe, Weidegänse, Legehennen,Wachteln, Zwerghasen,Hund und Katzen
Autorin: DI Johanna Auzinger, BIO AUSTRIA Bund