Robust und genügsam

© Soritz
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Seltene extensive Nutztiere sind Teil einer umweltgerechten, bäuerlichen Landwirtschaft und ein wesentlicher Bestandteil der Biodiversität. Sie dürfen nicht verloren gehen.
Die Lebensvielfalt hat eine zentrale Bedeutung für die Schönheit und die Fortdauer unseres Lebens. Als Mitglied der Konvention zum Schutz der Biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention) hat sich Österreich verpflichtet, neben den wilden Tier- und Pflanzenarten auch Kulturpflanzen und Haus- und Nutztiere als genetische Ressourcen zu schützen.
Jahrhundelang haben unsere Vorfahren Nutztiere gezüchtet. Dabei entstand eine große Vielfalt an Nutztierrassen. Durch die verschiedenen Lebensräume des Alpenraumes gab es unterschiedliche Ansprüche an Haltungsbedingungen und Nutzungsformen. Eigenschaften wie Robustheit, Genügsamkeit, Trittsicherheit und verlässlicher Mutterinstinkt wurden züchterisch gefördert und machten unsere Nutztiere zu verlässlichen Partnern der Bäuerinnen und Bauern. Es entstanden so lokal angepasste Rassen.

Seltene Rassen erhalten

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft brachte hingegen wenige hochspezialisierte Leistungsrassen. Auch der Markt mit seinen Anforderungen orientierte sich mehr und mehr an diesen.
Das brachte Nachteile für die angepassten alten Nutztierrassen, die natürlich nicht mit diesen Leistungsspezialisten auf deren Spezialgebieten mithalten konnten. Sie wurden nach und nach verdrängt, so dass in den 80ziger Jahren über 40 verschiedene Nutztierrassen als hochgefährdet auf der roten Liste landeten.
Seit dieser Zeit finden sich aber immer mehr Bäuerinnen und Bauern, denen die genetische Vielfalt unserer heimischen Nutztierrassen am Herzen liegt. Sie haben sich der „Generhaltungszucht“ angenommen und den Verein zur Erhaltung seltener heimischer Nutztierrassen gegründet, die ARCHE AUSTRIA. Seitdem ist keine Rasse mehr verloren gegangen.
Die Zucht der „seltenen Rassen“ wird im ÖPUL mit eigenen Programmen gefördert. Schon jetzt ist der Anteil biologisch wirtschaftender Betriebe mit seltenen Rassen sehr hoch. Bei einzelnen Rassen, wie dem Krainer Steinschaf sind es 80 Prozent der Betriebe.

Der besondere Wert

Die Erhaltung von bedrohten regionalen Rassen ist wichtig, damit auch kommende Generationen eine Basis für die Haltung und Zucht von Tieren haben. Verloren gegangene genetische Vielfalt ist für immer verloren und unwiederbringlich. Gefährdete extensive Rassen sind für die Offenhaltung von Flächen für Tourismus und Naturschutz geradezu prädestiniert. Die besondere Anpassung an die Berglandwirtschaft sowie die hohe Qualität von Fleisch und Milch ist ein wesentlicher Vorteil dieser Rassen. Sie sind zudem Bewahrer von Traditionen und daher identitätsstiftend, sie erhalten Genressourcen und damit die Basis für künftige züchterische Fortschritte. Durch ihre lokale Anpassung sind sie klimaverträglicher, krankheitsresistenter und bilden eine mögliche Strategie für eine kleinstrukturierte, extensive Landwirtschaft. Globale Krisen und der Klimawandel stellen die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Auch Tierzucht und Tierhaltung müssen mit teilweise erschwerten Produktionsbedingungen zurechtkommen. Auch hier können die alten Rassen eine echte Alternative bieten mit ihrer Vielfalt an Fähigkeiten.

Wo sind die Hindernisse

Wenn wir uns diese vielen besonderen Qualitäten der alten Rassen vergegenwärtigen, müssen wir uns fragen, warum nicht schon alle Bäuerinnen und Bauern Züchterinnen und Züchter dieser alten Kulturrassen sind.
Aus meiner Sicht spielen zwei wichtige Faktoren eine große Rolle:
Zum einen ist die Landwirtschaft noch in einem sehr zweifelhaften Leistungsbegriff verhaftet. Was bringt es mir als Bäuerin, wenn ich mir die Hochleistung meines Nutztieres mit extrem hohem Futterbedarf, intensivster, auch medizinischer Betreuung erkaufen muss und dadurch oftmals die mögliche Lebensspanne meines Tieres reduziere?
Zum anderen spielt der Markt eine entscheidende Rolle. Solange Fleischqualität nur durch die EUROP-Klassifizierung bewertet wird und sehr junges gemästetes Fleisch die beste Bewertung bekommt, haben unsere alten Rassen kaum eine Chance, auf dem anonymen Markt zu punkten. Sie wachsen langsamer, akkumulieren aber durch ihre extensive Fütterung und intensive Weidehaltung mehr Inhaltstoffe im Fleisch, die leider in der Klassifizierung keine Anerkennung finden. Unter Umständen erbringen sie nicht diese gewünschte Muskelfülle und Muskelform.

Die Projekte, die versuchten, Produkte aus alten Rassen erfolgreich indirekt zu vermarkten, sind leider nicht mehr alle am Markt zu finden. Viele Züchterinnen und Züchter der alten Rassen vermarkten ihre Produkte selbst. Im direkten Kontakt zum Kunden lassen sich die besonderen Qualitäten und Umweltleistungen gut kommunizieren und werden auch entsprechend honoriert.

Autorin: Barbara Soritz, Biobäuerin in Schwanberg, Steiermark