Bio-Schwein und Bio-Geflügel: Fütterung als Problembereich?

© Edler/BIO AUSTRIA
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Während Wiederkäuer hinsichtlich ihrer Ernährungsansprüche gut in den Betriebsorganismus eingebunden werden können, stellt die Fütterung von Geflügel und Schweinen in der biologischen Landwirtschaft eine besondere Herausforderung dar.
Abgesehen von ihrer eng begrenzten Fähigkeit faserreiche Grundfuttermittel zu verwerten, stellen diese Nutztierarten sehr hohe Anforderungen an eine ausreichende Versorgung mit hochwertigem Nahrungseiweiß. Da Schweine und Geflügel kein dem Wiederkäuer vergleichbares System zur „Eigenerzeugung“ wichtiger Eiweißbausteine (Aminosäuren) besitzen, sind sie auf die Zufuhr dieser mit dem Futter angewiesen.

Die Problematik

Dabei ist nicht nur die absolute Menge an Aminosäuren, sondern auch deren Verhältnis zueinander entscheidend: Fehlt auch nur eine einzige, können alle anderen Aminosäuren nicht zur Eiweißbildung herangezogen, sondern müssen im Stoffwechsel abgebaut und mit dem Harn ausgeschieden werden. Die in der biologischen Landwirtschaft wichtigen Körnerleguminosen sind sehr reich an der Aminosäure Lysin, aber relativ arm an den schwelfelhältigen Aminosäuren Methionin und Cystein. Daher ist es sinnvoll, sie mit Kuchen aus Ölsaaten zu kombinieren, die einen höheren Gehalt an schwefelhältigen Aminosäuren aufweisen wie zum Beispiel Kürbiskern- Lein- oder Sonnenblumenkuchen, um so ein ausgewogenes Aminosäurenverhältnis zu sichern. In der konventionellen Tierproduktion werden reine, isolierte Aminosäuren (meist Lysin, Methionin, Threonin, Tryptophan) eingesetzt, um diesen Ausgleich zu erzielen. Das ist in der biologischen Landwirtschaft nicht zulässig.

Die grundsätzliche Problematik wird durch das ständig steigende Potenzial der auch in der Bio-Landwirtschaft verwendeten Tierherkünfte verschärft: Je höher das Leistungspotenzial (Milchbildung, Muskelwachstum, Eibildung) der Tiere, desto mehr dieser Nährstoffe muss mit dem Futter aufgenommen werden. Da die Menge an verzehrtem Futter nicht im gleichen Ausmaß wie die tierische Leistung ansteigt, muss parallel zum „Zuchtfortschritt“ der Gehalt an Aminosäuren im Futter angehoben werden. Aus den oben angeführten Gründen bestehen für die biologische Landwirtschaft hier aber deutlich engere Grenzen als für die konventionelle Tierproduktion.

Die Konsequenzen

Eine Unterversorgung mit einzelnen oder mehreren Aminosäuren führt bei Aufzucht- oder Masttieren zu einem verminderten Wachstum. Bei säugenden Zuchtsauen und Legehennen wird auch die Milch- und Eibildung beeinträchtigt. Gleichzeitig wird bei einer unausgeglichenen Aminosäurenversorgung der tierische Stoffwechsel stärker belastet, was zu Stoffwechselerkrankungen beitragen kann. Bei Legehennen wird vor allem bei Methionin-Mangel das Auftreten von Federpicken und Kannibalismus begünstigt.

Mögliche Lösungsansätze

Auf einzelbetrieblicher Ebene ist auf ein möglichst gutes Fütterungsmanagement zu achten. Dies schließt die Futtermitteluntersuchung im Labor, Nutzung dieser Informationen für die Rationsplanung, konsequente Umsetzung von Phasenfütterungskonzepten, etc. mit ein. Diese Maßnahmen können unabhängig von anderen ergriffen und einzelbetrieblich rasch umgesetzt werden.
Auf einer übergeordneten Ebene wären Maßnahmen zur Ressourcen-Lenkung anzudenken: Knappe, hochwertige Eiweißfuttermittel sollten vor allem für die Tierkategorien vorgesehen werden, bei denen die Bedarfsdeckung am schwierigsten ist. Dazu zählen Ferkel, laktierende Zuchtsauen, Legehennen und junges Mastgeflügel. Der Einsatz dieser Futtermittel für Wiederkäuer ist sehr kritisch zu hinterfragen. Diese Maßnahme ist nicht nur einzelbetrieblich, sondern auch auf Verbandsebene zu setzen.
In der Forschung wird die Suche nach alternativen Futterkomponenten fortgesetzt. Dies umfasst bisher weniger genützte Körnerleguminosen wie Wintererbse, Lupine, Platterbse, teilweise Sojabohne, Nebenprodukte vor allem aus der Lebensmittelverarbeitung oder auch die aktuell viel beachteten Futterinsekten. Diese Komponenten können teilweise zur Deckung des Futterbedarfs beitragen, stellen aber für sich kein „Allheilmittel“ dar.

Am Beispiel der Bio-Masthühner kann man zeigen, wie ganzheitlichere Lösungsansätze gedacht werden sollten: In der Bio-Hühnermast werden Tierherkünfte mit einem, gegenüber konventionellen Hybriden deutlich geringeren Wachstumspotenzial eingesetzt. Diese Tiere tolerieren geringere Aminosäurengehalte im Futter besser.

Autor:

Univ. Prof. Dr. Werner Zollitsch, Institut für Nutztierwissenschaften, BOKU, Wien