Hitzestress auf der Weide vermeiden!

Schon im Frühsommer kann es auf der Weide zu heiß werden. Um rechtzeitig zu handeln, sollte man sowohl die Wetterdaten als auch die Kühe im Auge behalten. Diese zeigen beginnenden Hitzestress meist deutlich sichtbar an.
Hitzestress ist ein ernstzunehmender Risikofaktor in der Rinderhaltung. Auch wenn das Problem nicht neu ist, gewinnt es durch die Klimaveränderung mit tendenziell heißeren Sommern an Bedeutung. Besonders laktierende Milchkühe sind betroffen. Je höher ihre Milchleistung, desto aktiver ist ihr Stoffwechsel und desto mehr Wärme produziert ihr Körper. Können sie diese Wärme nicht mehr ausreichend gut abgeben, entstehen schnell kritische Situationen. Stallbauliche Maßnahmen wie Lüftung, Schattierung, eine angepasste Dachkonstruktion oder eine Sprinkleranlage sorgen dafür, dass es den Kühen bei hohen Temperaturen besser geht.
Doch wie sieht es auf der Weide aus? Auch hier kann Hitzestress ein ernstes Problem werden, das oft unterschätzt wird. Je nach Luftfeuchtigkeit (je feuchter die Luft, umso problematischer) beginnt Hitzestress bereits bei knapp über 20 °C.
THI-Wert als Anhaltspunkt
Die negativen Folgen sind bekannt: Die Tiere liegen und fressen weniger, kauen weniger wieder. Die Milchleistung sinkt, die Fruchtbarkeit nimmt ab. Es gilt darum, frühzeitig zu handeln, um Hitzestress auf der Weide zu verhindern.
Doch wie erkennt man rechtzeitig, wann die Kühe in den Stall geholt oder die Weidezeiten in die Nacht- und frühen Morgenstunden verschoben werden sollten? Ein erster Anhaltspunkt ist der Temperatur-Luftfeuchte-Index, auch THI genannt. Für diesen benötigt man die aktuellen Wetterdaten mit Temperatur (in °C) und relativer Luftfeuchtigkeit (in %).
Verhalten zeigt Stress
Sind die Bedingungen auf der Weide günstig, kommen die Kühe auch an warmen Tagen gut zurecht. Eine Hügellage mit konstantem Wind oder ausreichend große Bäume als Schattenspender verschaffen den Tieren Erleichterung. Je nach Weidegröße ist es sinnvoll, nicht nur eine Tränke (obligatorisch), sondern mehrere aufzustellen. Gibt es jedoch kaum Schatten oder stauen sich Hitze und Feuchtigkeit aufgrund der Topografie, beginnt der Hitzestress früher. Hier hilft die Berechnung des THI aus allgemeinen Wetterdaten nur bedingt.
Wertvolle Hinweise liefert dann die Beobachtung der Tiere. Ein spezielles Verhalten der Kühe hat sich in Praxisversuchen am FiBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Schweiz) als geeignet erwiesen, beginnenden Stress zu erkennen: das Gruppierverhalten. Die Kühe stehen dann in einer größeren Gruppe sehr nah beieinander oder ziehen unruhig hin und her. Der Grund für dieses Verhalten wird darin vermutet, dass Kühe bei Stress den Schutz der Herde suchen, wie sie dies auch bei anderen Gefahren tun. Beobachtet man dieses Verhalten an einem potenziellen Hitzetag, sollten die Tiere in den Stall geholt werden. Definitiv zu lange hat man gewartet, wenn die Kühe heftig und stoßweise atmen oder mit offenem Maul hecheln. Die Hitzebelastung ist dann erheblich.
Lästige Insekten
Je wärmer und feuchter die Luft, desto mehr sind weidende Tiere lästigen Insekten wie Fliegen und Bremsen ausgesetzt. Sie bringen zusätzliche Unruhe in die Herde und erhöhen die Stressbelastung. Die Insektenbekämpfung oder der Einsatz insektenabwehrender Mittel ist auf Weiden jedoch nur eingeschränkt möglich. Schattenspendende Bäume und Sträucher sind darum eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Tiere. Ob bestimmte Baum- und Straucharten von Weidetieren besonders gern aufgesucht werden und besseren Schutz gegen Insekten bieten, untersucht derzeit ein Forschungsprojekt am FiBL. Einige Landwirte und Landwirtinnen berichten von solchen Beobachtungen. Das Anbringen von Nistmöglichkeiten für Schwalben und Mauersegler, die im Sommer viele Insekten vertilgen, ist ebenfalls eine einfache Maßnahme. Möchte man zusätzlich insektenabwehrende Mittel einsetzen, ist für Bio-Betriebe vorab ein Blick auf die Liste der im Bio-Landbau zugelassenen Betriebsmittel notwendig.
Autorin:
Verena Bühl, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Schweiz
der Artikel erschien in der BIO AUSTRIA Fachzeitung, Ausgabe April 2025 zum Schwerpunkt „Weide“:
www.bio-austria.at/a/bauern/neue-ausgabe-der-BIO AUSTRIAzeitung/
Temperatur-Luftfeuchte-Index (THI)
Ein THI ab 68 bedeutet für Milchkühe milden Hitzestress, ab 72 mäßigen und ab 80 starken Hitzestress. Leistungseinbußen sind spätestens ab mäßigem Hitzestress zu erwarten. Ab einem THI von 90 besteht Lebensgefahr.
Wie berechne ich den THI?
Um den THI zu berechnen, nutzt man folgende Formel:
(1,8 * T + 32) – (0,55 – 0,0055 * RH) * (1,8 * T – 26)
T = Temperatur, RH = relative Luftfeuchtigkeit
Bei 24 °C und 70 % relativer Luftfeuchte liegt der THI bei 72, die Tiere erleben also mäßigen Hitzestress.