Geflügel: In gesunde Tiere investieren

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Die Tierärztin Dr. Nicole Herout zeigt wie es möglich ist, die Herdengesundheit so zu stabilisieren, dass eine konstante Leistung bei guter Gesundheit bis zur Ausstallung erreicht werden kann.

In der Geflügelhaltung hat sich in den letzten Jahren viel getan. Neben der Entwicklung neuer Kreuzungen wurde auch viel Wissen in die Stall- und Auslaufgestaltung investiert. Die erzielbare Leistung ist mittlerweile im Bio-Bereich annähernd gleich hoch wie in der konventionellen Produktion. Dies ist jedoch nur mit gesunden Tieren möglich. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Vorbeugung.

Vorbeugen statt heilen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Prophylaxe. Die Bekannteste, von der klassischen Medizin empfohlene, ist das Impfen.
Durch die Impfung soll der Körper angeregt werden, gegen einen oder mehrere gezielt ausgewählte Erreger Antikörper zu bilden. Das kann er aber nur, wenn sein Immunsystem gut und aktiv ist. Die Impfwirkung bei geschwächten, gestressten oder gar schon kranken Tieren ist nur mangelhaft.
Ein anderer Zugang zur Prophylaxe ist die Stärkung des Immunsystems, ganz allgemein und besonders in schon vorhersehbaren Stressphasen. Dazu zählen das Einstallen, der Legebeginn, die Unterstützung älterer Legehennen, die ersten zwei Wochen in der Mast, der Beginn des Austreibens bei Mastgeflügel, besonders hinsichtlich Kokzidien- und Parasiteninfektionen.

Mit Homöopathie unterstützen

Die klassische Homöopathie bietet gute und kostengünstige Möglichkeiten, um die Tiere in Stressphasen zu unterstützen.
Die zwei bewährtesten Mittel sind: Aconitum mit dem Leitsymptom Schock durch Stress und Verschlechterung durch kalten Wind. Das zweite bewährte Mittel ist Arnica mit dem Leitsymptom: Schock durch Verletzung, Folge von Überanstrengung. Diese beiden Mittel sind stressmindernd und daher beim Einstallen der Herde sehr hilfreich. Sie werden während der ersten zwei bis vier Tage über das Trinkwasser verabreicht.
Will man eine Herde nachhaltig unterstützen, muss ein „Herden-Konstitutionsmittel“ gefunden werden. Dazu ist viel Erfahrung notwendig und man wird einen in der Homöopathie ausgebildeten Tierarzt zuziehen müssen. Homöopathie ist eine sehr individuelle Therapieform und daher nicht von einer Herde auf die nächste übertragbar.

Die nächste anspruchsvolle Phase ist der Legebeginn. In dieser Phase ist die Leber der Tiere sehr gefordert. Neben dem Herdenkonstitutionsmittel können leberstärkende homöopathische Arzneimittel wie Carduus marianus, Flor di Piedra oder Taraxacum angezeigt sein. Meist haben die bei Legehennen bewährten Konstitutionsmittel auch einen sehr starken Leber-Bezug. Mittel wie Lycopodium, Phosphor, Nux Vomica und weitere kommen ebenfalls in Frage.

Die Kraft der Kräuter

Mit dem nötigen Wissen kann man eigene Kräuter verwenden oder auf fertige Kräuterkonzentrate zurückgreifen, deren Zusammensetzung auf die unterschiedlichen Bedürfnisse in den verschiedenen Produktionsphasen abgestimmt ist.

Sinnvoll ist der Einsatz von immunstärkenden Produkten in den ersten zwei Wochen nach dem Einstallen von Küken oder Junghennen. Je nach Produkt müssen zwischen 2 und 4 kg pro Tonne Futter zugesetzt werden.
Beim Legebeginn hat sich der vorbeugende Einsatz von leberstärkenden Kräutern in den Wochen bis über die Legespitze sehr bewährt. Viele Hühnerhalter wissen, dass gerade am Ende dieser Phase die Tiere sehr leicht an der gefürchteten E. coli-Infektion leiden, und selbst Tiere, die dagegen geimpft wurden, in dieser Phase erkranken. Eine Stärkung der Tiere durch eine Unterstützung ihres Leberstoffwechsels macht sich daher bezahlt.

Ein Thema, das in Zukunft vielleicht noch mehr Interesse erwecken wird, ist die Betreuung von Legehennen im letzten Legedrittel oder im zweiten Legejahr. Möchte man den Prozentsatz von Bruch- und Industrieeiern so niedrig wie möglich halten und auch im zweiten Jahr noch eine respektable Legeleistung erzielen, sollte man auch bei älteren Tieren die Leber unterstützen und zusätzlich Kräuter einsetzen, die die Verwertung der im Futter angebotenen Mineralstoffe verbessern.

Die Parasitenbekämpfung ist ein weiteres wichtiges Thema. Mittlerweile gibt es genug Information darüber, dass der vorbeugende Einsatz von Parasiten abwehrenden Kräutern sowie der Einsatz von Sprühlösungen auf Pflanzenextrakt-Basis effizient sind. Die Homöopathie zeigt in der Parasitenregulierung nur wenig Wirkung.

Aus der Praxis

Nachfolgend ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der Homöopathie auf einem Bio-Betrieb mit 6000 Hühnern.
Meine Aufgabe war es, eine Lösung für die neue Herde zu finden, da es in den vorhergehenden Herden hohe Ausfälle trotzt Antibiotika-Einsatz wegen akuter E. Coli-Infektionen gegeben hatte.

Homöopathische Einstallprophylaxe
Tag 1 bis 5: Aconitum C30/Arnica C30/Calcium Phosphoricum C30 ins Trinkwasser

Homöopathisches Konstitutionsmittel Vier Wochen nach der Einstallung wurde die Herde besucht und genau beobachtet. Folgendes war auffällig: Die Hennen waren sehr kräftig, aber nicht übermäßig groß, Fresslust und Durst waren durchschnittlich und unabhängig von Hitze, sie waren gerne draußen, aber möglichst immer in Deckung und nicht auf freiem Gelände. Sie suchten nach viel Beschäftigung, waren neugierig, selbstbewusst, eher respektlos, sehr leise, kaum gesprächig. Sie waren den Hähnen gegenüber sehr dominant, aber extrem geräuschempfindlich. Ein Pfiff genügte und alle liefen schnell zurück in den Stall. Dies deutete auf Lycopodium C30 hin.

Vorbeugender Einsatz von Kräutern
Zur Stärkung der Immunabwehr und zur Verbesserung der Futterverwertung wurden zwei Spezialprodukte eingesetzt. In das Einstallfutter wurde für die ersten zwei Wochen eine Kombination aus europäischen und indischen Kräutern sowie Bentonit in sehr hoher Qualität gemischt. In weiterer Folge wurde zur Unterstützung und Kräftigung der Leber für die ersten zwei Legemonate eine Kombination aus leberwirksamen Kräutern verabreicht.

Nach der anfänglichen Freude, dass alles perfekt gelaufen war, kam es zwei Monate später nach einer zweiwöchigen Hitzeperiode zu einer hochgradigen E. coli-Infektion. Die Legeleistung fiel von 95 Prozent auf 89 Prozent. Eine antibiotische Behandlung wurde vom Landwirt abgelehnt. Stattdessen setzte ich eine spezielle Mischung aus vier verschiedenen homöopathischen Arzneien zusammen.
Innerhalb von zehn Tagen reduzierten sich die täglichen Todesfälle von 15 auf 0 Tiere. Die Legeleistung stieg wieder auf 91 Prozent und blieb dort bis zur 50. Lebenswoche.
Der Brucheieranteil lag konstant zwischen zwei und drei Prozent bis zum Ausstallen. Der Herdenausfall insgesamt lag trotz der schweren Erkrankung mit dem Verlust von 480 Tieren bei rund 8 Prozent.
Um die Fitness der Herde und damit die Eischalenqualität zu erhalten, wurde im letzten Quartal neben der Leber-Kräutermischung noch eine zweite dazu gemischt, welche auf Grund ihrer Zusammensetzung die Aufnahme der Mineralfutterkomponenten aus dem Futter unterstützt. Die Hennen waren bis zum letzten Tag bei voller Fresslust und in perfektem Gefiederzustand und wurden mit 75 Prozent Legeleistung ausgestallt.

Neue Herde
Ein Jahr später wurden 6000 „Lohmann Sandy“ eingestellt. Diese Tiere waren schlanke, große, schneeweiße Hennen, sehr aktiv, neugierig, aber extrem sensibel und äußerst schreckhaft. Die geringste Bewegung oder Unruhe im Stall führte zu panikartiger Flucht. Als Konstitutionsmittel bekamen sie Phosphorus C30, alle anderen Prophylaxe-Maßnahmen blieben gleich.
Meine telefonische Nachfrage im Jänner 2017 ergab: Gute Herde, ruhig, wenn es genug Beschäftigung gibt, keine Ausfälle, Legeleistung: 96 Prozent.

Es zeigt sich deutlich und das bestätigen meine langjährigen Erfahrungen aus der Praxis, dass der vorbeugende Einsatz von Homöopathie und/oder Kräuterprodukten für die Gesundheit der Tiere sehr wertvoll ist. Und es ist allemal besser und günstiger, in die Gesundheit der Tiere zu investieren, anstatt kranke Tiere behandeln zu lassen.

Autorin: Dr. Nicole Herout ist Fachtierärztin für Homöopathie in Lichtenberg, Niederösterreich.