Carbon Farming: Humus für das Klima

Stück vom Boden wird in Händen gehalten - hintergrund ist feld zu sehen
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Mit Carbon Farming soll der Atmosphäre Kohlendioxid durch Humusaufbau entzogen werden. Für diese Leistung sollen Landwirte Geld erhalten. Ob das dem Klima hilft? Das analysiert unser Autor David Luger.

Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 (EU) beziehungsweise 2040 (Österreich) ist selbst bei vollständiger Reduktion aller vermeidbaren Treibhausgase nicht mehr möglich. Der CO2-Speicherung auf landwirtschaftlichen Böden wird dabei eine zentrale Rolle zur Kompensation nicht vermeidbarer Treibhausgase zugeschrieben. Der Prozess, der dies möglich macht, ist die Fähigkeit von Pflanzen, CO2 über Blätter aufzunehmen und über ihre Wurzeln und Streu die Grundlage für die Humusbildung im Boden zu schaffen.

Die ökologischen Vorteile des Humusaufbaus ergeben sich für die Landwirtschaft aber nicht direkt aus der klimasamen CO2-Reduktion, sondern aus den vielen positiven Effekten von Humus für die Bodenfruchtbarkeit, Produktivität und Biodiversität. Während gezielter Humusaufbau jedoch Kosten für Landwirte verursacht, sind die ökologischen Vorteile oft nicht monetär. Mit Carbon Farming soll nun auf EU-Ebene ein System etabliert werden, mit dem Kohlenstoffspeicherung als gesellschaftliche Klimaleistung über CO2-Zertifikate honoriert und so für Landwirtinnen und Landwirte finanziell attraktiv gemacht werden soll.

Geld für Humus

Carbon Farming-Maßnahmen umfassen landwirtschaftliche Praktiken, die den Eintrag und die Speicherung von Kohlenstoff auf einer definierten Fläche erhöhen. Dazu zählen bekannte humusaufbauende Maßnahmen wie Zwischenfruchtanbau, Fruchtfolgegestaltung, reduzierte Bodenbearbeitung und organische Düngung etc

„Im Mittelpunkt sollte immer der Erhalt der Bodenfunktionen und der Bodengesundheit stehen. Dabei hilft es nicht, Kohlenstoff auf einer Fläche möglichst viel und lange anzureichern.“

David Luger

Die Teilnahme bei Carbon Farming-Programmen erfolgt über einen Vertrag zwischen Landwirten und einem Händler, der Humuszertifikate an Unternehmen verkauft. Auf Basis einer festgestellten Humussteigerung wird die equivalente CO2-Menge berechnet und mit etwa 30 bis 45 Euro pro Tonne CO2 honoriert (siehe Abbildung).

Aktuell nicht geregelt

Da der Humuszertifikatshandel derzeit ohne gesetzliche Rahmendbedingungen erfolgt, wurde im November 2022 ein Verordnungsentwurf von der EU für einen verbindlichen Rechtsrahmen zur Zertifizierung von Carbon Farming-Maßnahmen vorgelegt. Der lässt jedoch einiges offen, was den Nachweis der Klimawirksamkeit und den Nutzen für Landwirte anbelangt.

Die Fokussierung auf Humus durch Humuszertifikate darf nicht auf Kosten von anderen Umweltfaktoren wie der Bodengesundheit, Wasserschutz und Biodiversität gehen. Gleichzeitig muss ein Nutzen für die Landwirtschaft und das Klima garantiert werden. Diesbezüglich gibt es jedoch noch einige Schwächen:

Humusaufbau ist umkehrbar

Ein gehandeltes Humuszertifikat verspricht, dass dadurch Emissionen in gleicher Menge durch gespeicherten Kohlenstoff im Boden ausgeglichen werden. Dies ist allerdings schwierig nachzuweisen, da die exakte Bestimmung des Humusgehalts und dessen Stabilität über die Zeit mit derzeitigen Methoden nicht möglich ist. Kohlenstoff als messbarer Wert von Humus wird im Boden auch nicht einfach gespeichert, sondern unterliegt einem ständigen Wechsel von auf- und abbauenden Prozessen. Änderungen in der Bewirtschaftung und extreme Umwelteinflüsse (Klimawandel!) können den mühsam aufgebauten Humus schnell wieder freisetzen und den Klimanutzen rückgängig machen. Eine flächengebundene und dauerhafte humusaufbauende Bewirtschaftung lässt sich langfristig nicht garantieren und würde in Carbon Farming-Programmen mit einmaliger Auszahlung auch nicht honoriert werden.

Klimawirksamkeit fraglich

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Humuszertifikate bringen einen finanziellen Anreiz, den Kohlenstoffgehalt einer Fläche zu erhöhen. Dies ist sehr schnell möglich durch das Aufbringen von organischen Düngern wie Mist oder Kompost. Bei der Analyse des Kohlenstoffgehalts wird jegliche organische Substanz kleiner als 2 mm erfasst. Es wird zwar ein höherer Humusgehalt auf der Zielfläche erzielt, auf einer anderen Fläche fehlt dieser Kohlenstoff allerdings. Es handelt sich dabei also nur um eine lokale Verlagerung von Kohlenstoff und nicht um eine zusätzliche Speicherung. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass der Humusaufbau aufgrund einer von der Bodenart abhängigen Speicherkapazität begrenzt ist. Wird diese überschritten, so kommt es zu erhöhtem Humusabbau und Nährstoffauswaschungen.

Nachteile für Bio-Betriebe

Im Bio-Landbau führte der hohe Feldfutteranteil, der geringere Hackfruchtanteil und die vielfältigen Fruchtfolgen zu Humusgehalten über dem österreichischen Durchschnitt. Humuszertifikate honorieren allerdings nur eine Steigerung des Humusgehalts. Diese ist aber auf Böden mit bereits höheren Gehalten schwieriger und ökologisch nicht sinnvoll aufgrund einer begrenzten Speicherkapazität. Über Humuszertifikate werden weder vergangene Humusaufbauleistungen, noch der zunehmend höhere Aufwand des Humuserhalts entlohnt. Beides kann Betriebe, die bereits lange Humusaufbau betreiben, in Carbon Farming-Programmen benachteiligen.

Da durch die Klimakrise der Humusgehalt alleine durch steigende Temperaturen und extreme Wetterereignisse schneller abgebaut wird, muss auch der Erhalt von höheren Humusgehalten als Leistung honoriert werden.

Nutzen nicht garantiert

Ein wesentlicher Grund für die oben genannten Nachteile von Humuszertifikaten ist der Ansatz, dass nur auf Basis einer Humussteigerung einmalig honoriert wird. Humusaufbau und Humuserhalt sind jedoch keine einmalige, sondern eine Dauerleistung und gehören daher kontinuierlich gefördert. Zusätzlich ist die Stabilisierung von Humus im Boden noch zu wenig erforscht. Humuszertifikate sind deshalb mit vielen Risiken verbunden und können einen Nutzen für das Klima und die Landwirtschaft nicht garantieren. Es sollten stattdessen humusaufbauende Maßnahmen ohne Ergebnisorientierung gefördert werden. Davon profitieren alle Betriebe, die Humusaufbau betreiben und ihre Böden schützen. Auch wenn Böden ein beträchtliches Potential zum Humusaufbau haben und dies mit positiven Effekten für die Landwirtschaft und dem Klimaschutz einhergeht, sind Böden nicht vorwiegend dazu da, das Klima zu retten. Dafür braucht es zuerst die Reduktion aller vermeidbaren Emissionen. Im Mittelpunkt sollte immer der Erhalt der Bodenfunktionen und der Bodengesundheit stehen. Dabei hilft es nicht, möglichst viel Kohlenstoff auf einer Fläche möglichst lange anzureichern, sondern durch angepasste Bewirtschaftung das Gleichgewicht auf allen Flächen in Richtung der humusaufbauenden biologischen Prozesse zu verschieben. Dazu gehört, den Wasser-, Boden- und Biodiversitätsschutz gesamtbetrieblich mitzudenken.

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  • DI David Luger

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