Fruchtfolge: „Man muss auch Neues wagen“
Heinz Köstenbauer ist langjähriger Bio-Ackerbauberater. Wir haben mit ihm gesprochen über die Bedeutung und Grundsätze von Fruchtfolgen, über Konfliktfelder und warum Biobauern ihre Fruchtfolge als Chance sehen sollten.
Du hast jahrelange Erfahrung als Bio-Ackerbauberater. Welche Bedeutung haben Fruchtfolgen im biologischen Landbau?
Köstenbauer Die Fruchtfolge ist am Bio-Hof ganz wesentlich, ich würde sagen der wichtigste Baustein, um Bodenfruchtbarkeit aufzubauen. Und eine gute Bodenfruchtbarkeit ist das Ziel der biologischen Bewirtschaftung. Also brauche ich eine gut durchdachte, auf meinen Betrieb abgestimmte Fruchtfolge, um – neben anderen Bausteinen wie beispielsweise die Bodenbearbeitung – dieses Ziel zu erreichen. Meine Erträge hängen ja wesentlich von der Bodenfruchtbarkeit ab, nur mit einer entsprechenden Fruchtfolge kann ich langfristig erfolgreich sein, wirtschaftlich wie ökologisch.
Auf welche Grundsätze ist zu achten?
Langfristig muss ich schauen, dass meine Fruchtfolge einen ausgewogenen Nährstoffhaushalt im Boden ermöglicht, dass ich aufbauende Früchte und zehrende Früchte anbaue. In der Planung muss ich daher bewusst mit aufbauenden Früchten starten, unabhängig davon, was ich damit verdiene. Es geht zunächst darum, den Boden aufzubauen. Dabei geht es nicht nur um den Stickstoff, sondern auch wie gut kann die Kultur Unkräuter unterdrücken, wie intensiv wird der Boden durchwurzelt, wie lange wird der Boden beschattet, wie viele Ernterückstände bleiben am Feld zurück – auch das sind wesentliche Dinge, um die Bodenfruchtbarkeit aufzubauen. Ich muss mir überlegen, welche Früchte zu meinem Betrieb, zu meinen Böden und zu meiner Region passen. Erst danach überlege ich, mit welchen Früchten ich was verdienen kann, welche Früchte am Markt nachgefragt sind.
Kurzfristige Überlegungen sind dann eher in die Richtung, wenn beispielsweise eine Frucht zu stark verunkrautet, kann ich sie nochmals anbauen wie zum Beispiel Soja, geht sich das aus?
Dennoch heißt es immer wieder, dass in der Praxis diese Grundsätze oftmals übergangen und zu wenig berücksichtigt werden. Warum ist das so?
Es gibt Betriebe, die nur den Markt sehen. Diese haben oft wenig Fläche, Fixzahlungen, wollen jetzt den guten Preis von bestimmten Kulturen ausnutzen, denken nicht langfristig. Aber es gibt auch immer mehr Betriebe, die erkennen, dass es wichtig ist, Bodenfruchtbarkeit aufzubauen, auch über die Bodenbearbeitung und Zwischenfrüchte, um langfristig gute und sehr gute Erträge, vielleicht auch mit wenig Aufwand zu erzielen. Wenn ich kurzfristig optimiere, dann habe ich eine höhere arbeitswirtschaftliche Belastung, weil mehr Pflegeschritte notwendig sind, weil zum Beispiel der Unkrautdruck immer höher wird, auch wenn die Hacktechnik noch so gut ist. Oder ein Nebenerwerbslandwirt, der nur Getreide anbaut, weil das arbeitswirtschaftlich gut passt, aber es gibt auch Futterleguminosen, die wenig Arbeit machen, eine gute Bodenfruchtbarkeit schaffen, aber halt selten einen Erlös bringen. Das ist das Dilemma vieler Betriebe.
Hingegen sind Betriebe, die langfristig auf Bodenfruchtbarkeit achten und nicht jedes Mal Marktfrüchte anbauen, eher Betriebe, die gut unterwegs sind, nicht ganz am Limit sind, produktionstechnisch und arbeitswirtschaftlich nicht. Betriebe, die wirtschaftlich ums Überleben kämpfen, haben viel weniger Spielraum und schauen fast ausschließlich auf den Markt.
Wo kann man eine geregelte Fruchtfolge nicht umgehen und wo ist eine Flexibilität möglich?
Es gibt einen Ausspruch: Ein guter Ertrag ist die beste Vorfrucht. Denn bei einem guten Ertrag kann ich viele Früchte nachbauen. Ich kann als Biobauer deshalb innerhalb eines Gerüstes sehr flexibel sein, muss aber genau hinschauen. Ich muss wissen, warum ist diese Ernte so wie sie ist. Was sind die Ursachen, wenn der Ertrag niedrig ist? Wenn ich nur auf das Feld komme, um zu ernten, dann ist es besser, sich an ein Gerüst zu halten, das möglichst strikt ist.
Ansonsten kann ich durchaus flexibel sein, aber ich tue gut daran, gewisse pflanzenbauliche Vorgaben einzuhalten. Da denke ich beispielsweise an Fruchtfolgekrankheiten. Manchmal wird mit Anbaupausen zu locker umgegangen.
Wirtschaftlich betrachtet, kann ich mit Flexibilität wahrscheinlich oder ganz sicher mehr erreichen als mit einem starren Schema, auch was die Bodenfruchtbarkeit betrifft. Aber was ich dazu brauche, sind Wissen und Beobachtung, ein Gespür für meine Flächen und Kulturen. Ein Beispiel: Nach zweimal Getreide brauche ich nicht unbedingt eine Leguminose, es kann was anderes besser passen. Der Ertrag ist sehr gut, gleichzeitig der Disteldruck hoch, es ist also genug Stickstoff im Boden vorhanden, zum Beispiel könnte in diesem Fall Körnermais, der viel Stickstoff braucht, besser auf die Fläche passen.
Wann sollte ein Bio-Ackerbauer genauer auf seine Fruchtfolge schauen?
Anzeichen sind sicher, wenn die Erträge von Jahr zu Jahr sinken, also nicht nur einzelne Ausreißer oder wenn der Unkrautdruck immer höher wird. Krankheiten, Schädlinge oder wenn bei Pflanzen Anzeichen von Nährstoffmangel auftreten. Verdichtungen im Boden gehören auch dazu.
Da muss ich genau hinschauen und reagieren.
Du hast mehr als 20 Jahre Beratungserfahrung im Bio-Ackerbau: Gibt es Unterschiede bei den Problemen und Herausforderungen am Acker heute und in deinen Anfangsjahren?
Gefühlsmäßig ist es viel leichter geworden. Es gibt für viele Bio-Früchte einen Markt, sodass die Fruchtfolge abwechslungsreicher gestaltet werden kann. In der Pflegetechnik stehen viele Geräte zur Verfügung. Die ersten zehn Jahre gab es wenig Entwicklung, jetzt gibt es viele Erfahrungen. Wir setzen uns auch im Bio-Ackerbau verstärkt mit Nährstoffverhältnissen im Boden auseinander. Ich denke, Bauern sollen schon wissen, was im Boden los ist. Die Bodenchemie muss im Lot sein. Herausfordernd ist hingegen der Klimawandel mit seinen Folgen. Neue Krankheiten und Schädlinge, die Erosion hat zugenommen, das trifft besonders Hackfrüchte am Hang. Aber wir wissen wie das Hacken geht und es gibt Weiterentwicklungen wie zum Beispiel die Mulchtechnik. Die Klimaveränderung bringt aber auch die Möglichkeit, Zweitfrüchte anzubauen, zum Beispiel nach Wintergerste Soja oder Kürbis anzubauen, das ist nun möglich.
Welche Aufgaben hat die Beratung bei diesem wichtigen Thema?
Von der Beratung fordern Betriebsleiter Fachwissen. Wir Berater müssen wissen, was geht, was geht nicht, zum Beispiel bei Fruchtfolgekrankheiten, wir müssen bei kurzfristigen Problemen helfen können. Das ist ganz klar. Langfristige Konzepte muss man gemeinsam entwickeln. Was wir nicht leisten können, ist zu wissen wie sich der Markt entwickelt, aber wir können aufzeigen, welche neuen Kulturen gefragt sind. Ich muss als Berater den Bauern klar machen, dass die Fruchtfolge keine Belastung ist, sondern eine Chance. Nichts anderes als eine Versicherung, denn Hagel, Überflutungen und Krankheiten treffen auch nicht alle Kulturen auf einmal.
„Fruchtfolgeoptimierung“ ist in der BIO AUSTRIAAckerbauberatung ein eigenes Beratungsprodukt. Wie wird diese Beratungsleistung von den Bauern nachgefragt?
Das Produkt kennen unsere Betriebe zu wenig, das ist zum einen eine Frage der Bewerbung. Aber auch bei einer Postwurfsendung hat man nur eine geringe Rücklaufquote. Am besten funktioniert die Mundpropaganda, wir müssen unsere Leistungen auch immer wieder bei jeder Gelegenheit in Seminaren und bei Feldbegehungen anbieten. Da geht noch mehr.
Wie gehst du bei einer umfassenden Bio-Ackerbauberatung vor?
Wichtig ist für mich, dass der Bauer oder die Bäuerin erzählen, was machen sie jetzt, wo sehen sie die Herausforderungen und Probleme, warum wollen sie eine Beratung haben, denn es gibt ja immer einen Auslöser. Wo wollen sie hin, was wollen sie ändern? Zum Beispiel wollen sie die Bodenfruchtbarkeit erhöhen oder die Arbeitswirtschaft verbessern? Mir ist es wichtig, dass die Betriebsleiter selber Ideen formulieren, das Problem definieren und ein Ziel vor Augen haben. Wir besprechen dann wie die Fruchtfolge geändert, optimiert, für den Betrieb passend adaptiert werden könnte. Wenn das Gerüst steht, kommen die Details: Welche Geräte habe ich, kann ich welche ausleihen? Ich will jedenfalls kein Kochrezept abliefern.
Und nicht zu vergessen: Die Zwischenfrüchte, sie sind das i-Tüpfelchen. Sie sind keine Lückenbüßer, sondern gehören ganz bewusst geplant.
Welche abschließende Empfehlung möchtest du den Bauern zum Thema Fruchtfolge mitgeben?
Ich muss Früchte für meinen Betrieb finden, die meinem Boden und auch mir guttun, die zu mir passen. Ich muss damit eine Freude haben, vor allem wenn es um neue Kulturen geht. Ich kann die Fruchtfolge nie ohne Bodenbearbeitung und Zwischenfrüchte planen. Das greift ineinander, zudem gibt es ein paar Rahmenbedingungen wie Fruchtfolgekrankheiten, Schädlinge, auf die ich aufpassen muss. Ich möchte auch betonen, dass es die Vielfalt ist, die der Fruchtfolge guttut und den Bio-Ackerbau spannend macht. Daher rate ich auch, etwas Neues zu wagen, auszuprobieren trotz aller wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Biobauern und Biobäuerinnen sollen die Fruchtfolge als Chance sehen!