Herdenschutz und große Beutegreifer in Tirol

Aktueller Stand Juli 2020

Der Tiroler Landtag beschloss am 2. Juli 2020 die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen mit einem Fördervolumen bis zu EUR 500.000,00 jährlich in den Haushaltsjahren 2020 und 2021. Die Landesregierung wurde im selben Landtag zudem aufgefordert, eine Studie in Tirol zur Frage der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der neuerlichen Präsenz des Wolfes, in Auftrag zu geben sowie die Errichtung von Herdenschutz-Pilotprojekten voranzutreiben (in Hinblick auf die topographischen und kleinstrukturierten Gegebenheiten der Tiroler Almwirtschaft).

Der Vorstand von BIO AUSTRIA Tirol hat sich in seiner Sitzung vom 8. Juli 2020 ebenfalls mit dem Thema große Beutegreifer und Herdenschutz befasst. Er ist zum Schluss gekommen, dass der Fokus auf der Unterstützung und Information unserer Mitglieder liegen soll um mit der aktuellen Situation umzugehen zu können. Eine Positionierung für oder gegen Wolf, bzw. zum Thema Beutegreifer vonseiten BIO AUSTRIA ist dazu nicht notwendig.

Deshalb informieren wir unsere Mitglieder zum aktuellen Stand und schulen unsere BeraterInnen, sodass unsere Mitglieder bestmöglich unterstützt werden können. Außerdem machen wir uns in der aktuellen Diskussion für die Beibehaltung der Behirtungsprämie in der neuen GAP stark (ist derzeit noch in Diskussion).

Laut aktuellem Landtagsbeschluss werden 2020 in einem ersten Schritt Maßnahmen bei akuten Rissvorfällen sowie Maßnahmen zum Herdenschutz als Prävention von Übergriffen großer Beutegreifer gefördert. Für 2020 beträgt die Förderung 60% der förderbaren Nettokosten für Schutzzäune und GPS–Tracker für Weidetiere.

Ab 2021 werden voraussichtlich auch weitere Maßnahmen wie Fachberatungen, allfällige Hirtenanstellungen, Investitionen in zusätzlich erforderliche Alminfrastruktur, die Anschaffung von geprüften Herdenschutzhunden abgegolten werden.

Förderung und Beratung

Die BeraterInnen und Berater von BIO AUSTRIA und der Bezirkslandwirtschaftskammern werden derzeit geschult um entsprechende Beratungen vor Ort durchführen zu können.  Dies geschieht in enger Abstimmung mit den zuständigen MitarbeiterInnen der Abteilung Agrarwirtschaft des Landes Tirol.  

Ausführliche Informationen finden sich auch auf der Seite des Landes Tirol.

Hat ein Bauer/eine Bäuerin einen Beratungsbedarf für Heimweiden oder möchte er/sie Schutzzäune beantragen, bitte Christina Ritter, Tel. 0676/ 629 36 04 oder Maximilian Gritsch 0676/ 842 214423 für einen Lokalaugenschein vor Ort kontaktieren.

Braucht jemand eine Beratung für eine Almfläche oder interessiert sich für die Verwendung von GPS-Trackern bitte Josef Gitterle kontaktieren 0512/ 508 2528

Für regelmäßige aktuelle Informationen zum Thema empfehlen wir euch, die APP des Landes Tirol auf euer Smartphone herunterzuladen. 


Herdenschutzmaßnahmen

Die Präsenz des Wolfes erfordert eine Anpassung des Herdenschutzes. Auf den Heimweiden war es bisher ausreichend, dass die Tiere innerhalb des Zaunes bleiben. Soll die Herde zusätzlich vor Wölfen geschützt werden, ist der Zaun so zu gestalten, dass er Raubtiere vor dem Eindringen abhält. Schutzzäune als Grundschutz vor Wölfen sind aber nicht immer und überall einsetzbar oder ausreichend. Insbesondere auf Almen stellt sich bei dauerhafter Anwesenheit von Wölfen die Frage nach einer Behirtung und allenfalls auch dem Einsatz von Herdenschutzhunden, um Nutztiere ausreichend zu schützen.

Das Aufstellen von elektrischen Zäunen ist die einfachste Variante des Herdenschutzes. Insbesondere Wölfe reagieren empfindlich auf Elektrozäune. Mehr Infos dazu gibt es hier.

Das Land Tirol hat mobile Herdenschutzzäune angeschafft, die Tierhalter im Bedarfsfall kostenlos ausleihen können. Acht so genannte „Notfall-Kits“ – das sind in Alukisten verpackte mobile Elektrozäune inklusive Stromversorgungseinheit und Zubehör – stehen Tierhaltern im Bedarfsfall zur Verfügung. Zum Einsatz kommen die Herdenschutzzäune, wenn sich z.B. nachweislich ein Wolf in der Nähe von Weidetieren befindet oder bereits Tiere gerissen hat und der Tierhalter über keinen funktionierenden, sicheren Elektrozaun verfügt. Gedacht sind die Notfallsets vor allem für den kurzfristigen Einsatz auf Heimweiden. Je zwei solcher Notfall-Sets mit 300 Laufmetern Elektro-Weidenetzzaun lagern an den Landwirtschaftlichen Lehranstalten in Imst, Rotholz, Weitau/St. Johann und Lienz. Auf der Webseite des Landes gibt es zu Herdenschutzzäunen zahlreiche Informationen (Videos und Beratungsblätter).


Sicht- und Schadenmeldungen

Auf dieser Seite gibt es auch weiterführende und detaillierte Informationen zur Sicht- und Schadenmeldung (Kontaktdaten der Bezirksleitstellen der Polizei, bzw. Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft.

Der zuständige Amtstierarzt wird in zutreffenden Fällen eine Riss- bzw. Schadenbegutachtung durchführen. Der Amtstierarzt begutachtet den Schadensfall bzw. Riss und nimmt Proben zur DNA-Analyse, sofern es im jeweiligen Fall sinnvoll ist. Von ihm erhalten Sie die Formulare, um bei der zuständigen Abteilung eine Entschädigungszahlung beantragen zu können. Die Formulare sind auf der unten angeführten Webpräsenz des Landes Tirol zu finden.

Die Anträge können hier per Post und auch per Mail gestellt werden:  Amt der Tiroler Landesregierung  Abt. Landwirtschaftliches Schulwesen und Landwirtschaftsrecht.

Wenn genetisch nachgewiesen wurde, dass ein mit Ohrmarkennummern gekennzeichnetes Nutztier durch einen großen Beutegreifer gerissen wurde, erhält der Landwirt eine Entschädigungszahlung. Gleiches gilt bei der Zerstörung von Bienenstöcken durch einen Bären oder sonstiger Sachschäden durch große Beutegreifer. Derartige Schäden werden in Tirol durch die Haftpflichtversicherung des Tiroler

Jägerverbandes abgegolten. Darüber hinaus wird eine Entschädigung durch das Land Tirol in Fällen geleistet, in denen kein direkter Nachweis erbracht werden kann, der Riss

bzw. Schaden aber sehr wahrscheinlich von großen Beutegreifern verursacht wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein großer Beutegreifer der Verursacher war, wird ebenfalls anhand der Schaden- bzw. Kadaverbeurteilung und aller vorliegenden Daten und Unterlagen bewertet.

Derzeit hängt eine Entschädigung nicht von umgesetzten Herdenschutzmaßnahmen ab.


Unterstützung für Futterkosten

Bei örtlich konzentriertem und wiederholtem Auftreten von Schadensfällen durch Nutztierrisse großer Beutegreifer kann das Amt der Tiroler Landesregierung einen vorzeitigen Almabtrieb bzw. die Einstallung von Weidetieren als Herdenschutzmaßnahme empfehlen. In diesen gesondert ausgewiesenen Fällen kann um eine Unterstützung für die entstandenen Futterkosten angesucht werden.


Schutzstatus und Managementspielraum

Große Beutegreifer (Bär, Wolf, Luchs) galten lange Zeit hindurch in weiten Teilen Europas als sehr gefährdet. Daher wurden sie 1979 bzw. 1992 einem unionsrechtlich vorgegebenen strengen Schutzstandard unterstellt (Art. 16 im Anhang IV der FFH-Richtlinie). Vor dem Hintergrund der Ereignisse rund um den Problembären „Bruno“ JJ1 im Jahr 2006 reagierte der Tiroler Landesgesetzgeber und sah durch eine Änderung des Tiroler Jagdgesetzes 2004 (LGBl. Nr. 9/2008) auch eine Entnahmemöglichkeit für verhaltensauffällige Exemplare großer Beutegreifer vor. Aufgrund des besonderen Schutzstatus dieser Tiere sieht die entsprechende Bestimmung (§ 52a Tiroler Jagdgesetz 2004) unionsrechtskonform ein abgestuftes Vorgehen der Behörden vor, an deren Ende auch die behördlich angeordnete Entnahme des Tieres stehen kann (1. Feststellung der erheblichen Gefährlichkeit des als problematisch angesehenen Tieres für Weidetiere (§ 52a Abs. 2), 2. Besenderung des als problematisch angesehenen Tieres (§ 52a Abs. 1), 3. Aufspüren, Einfangen bzw. fachkundige Tötung des als problematisch angesehenen Tieres (§52a Abs. 3). Ein Abschuss außerhalb dieses Vorgehens ist gesetzeswidrig.

Bereits 2012 wurden Richtlinien für die Abgeltung von Schäden durch große Beutegreifer erlassen.


Gezielte Weideführung und Behirtung

Herdenschutz mit Hirten, Herdenschutzhunden und Nachtpferch ist um ein Vielfaches aufwendiger als nur mit einem elektrischen Schutzzaun und auch nicht immer möglich. Im alpinen Gelände und auf Almen wird diese Form des Herdenschutzes bei stationären Wölfen bzw. einem Wolfsrudel in den meisten Fällen jedoch unabdingbar sein. Gleichzeitig ist sie jedoch sehr herausfordernd und auch relativ kostenintensiv. Auf der Webseite des Landes gibt es weiterführende Informationen (Jahresberichte der nationalen Beratungsstelle Herdenschutz etc.)

Eine Machbarkeitsstudie für das Land Tirol von 2019 hat gezeigt, dass eine gezielte Weideführung der Schafe in den weitläufigen Almgebieten die Voraussetzung für die spätere Umsetzung konkreter Herdenschutzmaßnahmen ist. Eine gelenkte Beweidung anstatt des freien Weidegangs der Schafe wirkt sich zudem positiv auf die Nutzung der vorhandenen Futterflächen und auf die Biodiversität aus.

Bewirtschaftern von Schafalmen, die sich für eine gezielte Weideführung interessieren, bietet das Land Tirol eine Almbegehung mit einem Experten an. Dieser wird vor Ort auch die Machbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen einschätzen.

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