„Herkunft“ ist ohne ein System dahinter nur ein geflügeltes Wort!

Portrait Gasselich Otto
© BIO AUSTRIA / Weinfranz

Wilfried Oschischnig (pr-manufaktur) sprach mit BIO AUSTRIA NÖ und Wien Obmann Otto Gasselich über den österreichischen Biomarkt und die Notwendigkeit von Bewusstseinsbildung.

Herr Obmann Gasselich, das Jahr hat für den Biolandbau gut begonnen. Die AMA vermeldet einen Bio-Anteil von knapp 9% im Lebensmittelhandel – ist das nun der Plafond für Bio oder ein Ansporn?

Für mich ist das eine große Freude und mindestens eine so große Motivation. Wir konnten in den letzten zehn Jahren den Bio-Anteil im Lebensmittelhandel verdoppeln, was einzigartig in der Geschichte des österreichischen Biolandbaus ist. Einen ‚Plafond‘ gibt es übrigens nur bei Gebäuden, aber nicht in der Bio-Philosophie. Der Biolandbau und die Ökologisierung der Landwirtschaft lassen sich nicht mit Prozentpunkten begrenzen – das sind ja mit der Bodenfruchtbarkeit, dem Tierwohl, dem Klima- und Umweltschutz und mit der gesunden Lebensmittelqualität unverzichtbare Güter für unsere Gesellschaft. Von dem her bestellen wir nicht nur unsere Felder immer wieder aufs Neue, sondern auch das ‚weite Feld des Bio-Bewusstseins‘. Denn dieses muss weiterwachsen und daran arbeiten wir als Verband BIO AUSTRIA Niederösterreich und Wien ebenfalls täglich.

Die Bio-Milch nähert sich der 20%-Marke, beim Fleisch und der Wurst sieht es eher bescheiden aus. Woran liegt das?

Da sind wir wieder bei der Bewusstseinsbildung. Der Politik und Gesellschaft muss endlich bewusst werden, dass weniger und dafür hochwertigeres Fleisch der Schlüssel zum Klimaschutz und zur Welternährung ist. „Weniger & hochwertiger“, ohne diese Formel geht’s bei neun Milliarden Menschen einfach nicht. Das hat freilich seinen Preis, aber besser wir investieren in eine gesunde Qualität als die Massentierhaltung kostet uns die Zukunft. – In diesem Zusammenhang sollten wir auch nicht die rasante Entwicklung beim Laborfleisch aus den Augen verlieren: Laborfleisch mit „erdlosem“ Gemüse kann doch unmöglich der Speiseplan der Zukunft sein!

Das klingt wenig appetitlich…

Umso wichtiger ist die politische Verantwortung, hier gegenzusteuern. Gerade in Österreich haben wir die Möglichkeit, konsequent auf Tierwohl und eine biologische Fleischqualität zu setzen. Das schützt die heimische Landwirtschaft und die Gesundheit der Menschen. Freilich braucht es in diesem sensiblen Bereich noch viel mehr Aufklärung und Wissen in der Bevölkerung. Essen und Ernährung sind immer ein Ausdruck des Wissens. Je mehr ich weiß, desto gesundheitsbewusster kann ich ein Lebensmittel aussuchen. Darum wünschen wir uns auch ein Unterrichtsfach „Ernährung“ – das ist eine zentrale Forderung von BIO AUSTRIA. Sie wissen ja: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ – und über Lebensmittel sollten alle von Kindesbeinen an Bescheid wissen.

In der Gastronomie ist das Essen für die Gäste oft ein seltsames Mysterium. Wie sieht es in diesem Bereich mit der aktuellen Bio-Entwicklung aus?

Da hat sich in letzter Zeit erfreulich viel getan. Mit der „Luftburg“ im Prater, „Kolariks Almhütte“ beim Eistraum am Rathausplatz oder dem neuen „Plain“ in der Berggasse wurden gleich drei prominente Wiener Gastronomiebetriebe zu 100 % bio-zertifiziert. Was dankenswerterweise von der Stadt Wien gut unterstützt wurde. Das sind nun drei weitere Leuchttürme, die ein Qualitätsbewusstsein auf die Gastronomie ausstrahlen und sich hoffentlich auch auf die Gemeinschaftsverpflegung in den öffentlichen Küchen und Unternehmenskantinen positiv auswirken. Biologische Qualität und eine konsequente Transparenz bei der Herkunft sind bestimmt die wichtigsten Zutaten für einen erfolgreichen Gastronomiebetrieb der Zukunft. Das vermitteln wir ständig den Wirtinnen und Wirten sowie den Küchenchefs: Der Umstieg auf Bio bedeutet nicht unrentable Mehrkosten und einen logistischen Aufwand, sondern ist eine echte Chance, das richtige Rezept für anspruchsvolle Gäste zu finden. Unterm Strich kosten beispielsweise heute die Bio-Gerichte in der „Luftburg“ kaum einen Euro mehr, während die Qualität und das Konsumentenvertrauen wohl um ein Vielfaches gestiegen sind.

Die österreichische Agrarpolitik forciert eine Herkunftsbezeichnung für Lebensmittel. Ist das der richtige Weg?

Grundsätzlich sollte jeder erfahren, woher seine Lebensmittel stammen. Mit der „Herkunft“ alleine ist es jedoch nicht getan. Es braucht da unbedingt ein konsequentes System dahinter: Woher stammt das Futter für die Tiere und ist es auch wirklich gentechnik-frei? Wie schaut die Haltung aus, wo liegt der Schlachthof, und wer veredelt schlussendlich das Fleisch? Diese Kausalkette muss ebenfalls im Pflanzenbau beantwortet werden: Kommt das Getreide fürs Brot tatsächlich aus Österreich, oder wurde ausländische Ware beigemischt. Ohne ein solches, exaktes und kontrolliertes System ist eine Herkunftsbezeichnung bloß ein geflügeltes Wort. Deshalb haben wir Jahre lang hart am BIO AUSTRIA STANDARD gearbeitet. Konsequenter, kontrollierter und lückenloser lässt sich „Herkunft“ nicht umsetzen – das ist unser einzigartiges Angebot an alle Partner und Konsumenten!