Sicher auf die Weide

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Jedem Weidehalter ist dieser Nervenkitzel bekannt, wenn im Frühling das erste Mal das Stalltor geöffnet wird und man gespannt wartet, wie die Weidetiere auf die plötzliche Freiheit reagieren. Mit ein paar Tricks können Tier und Mensch diese sensible Phase gut meistern.
Erfahrene Tiere nehmen das eher gelassen, während unerfahrene Jungtiere ihr ganzes Bewegungsrepertoire auf einmal ausleben. Dabei passiert es leider immer wieder, dass der Weidezaun von den Tieren zu spät wahrgenommen wird, und sie darüber stolpern.

Ruhig handeln

Einen großen Einfluss hat auch der Mensch mit seinem Verhalten auf die Tiere. Unruhe oder Nervosität wird von den Tieren sehr schnell wahrgenommen und sie reagieren gestresst auf unser Verhalten. Daher sollten wir Menschen während dieser sensiblen Momente für die Tiere, in denen alles neu und aufregend ist, besonders ruhig und gelassen bleiben. Zu vermeiden sind auf jeden Fall schnelle und hastige Bewegungen, lautes Schreien und unnötiges Herumwirbeln mit langen Stöcken.

Zaun kennenlernen

Tiere sehen anders als Menschen. Während für den Menschen der Weidezaun oft schon von weitem gut sichtbar ist, können Weidetiere die Litzen, Bänder oder Drähte meist erst innerhalb einer Entfernung von etwa sechs bis sieben Metern erkennen. Daher sollen sie den Zaun vor Weidebeginn in einem geschützten Bereich kennenlernen können. Besonders bei einem elektrischen Weidezaun ist das wichtig, damit die Tiere nicht durch die Schreckreaktion bei der ersten Berührung durch den Zaun laufen. Das geht am einfachsten durch das Spannen von ein bis zwei stromführenden Litzen in einem bestehenden Auslauf. Steht kein Auslauf zur Verfügung, kann man auch andere Plätze vor dem Stall, wie zum Beispiel Mistplatten oder Ähnliches nutzen, die zum Teil schon eine natürliche Abgrenzung haben. Hier werden ebenfalls Litzen zum Kennenlernen des elektrischen Zauns gespannt. Als natürliche Abgrenzungen eignen sich auch landwirtschaftliche Fahrzeuge, wie zum Beispiel ein Traktor mit Anhänger. Meist genügt den Tieren ein Tag, um die Wirkung des Zauns kennen zu lernen.

Kleiner Bereich auf Weide

Im nächsten Schritt kommen die Tiere auf die Weidefläche. Hier hat es sich in der Praxis ebenfalls bewährt, zuerst eine kleine Fläche, je nach Gruppengröße, von etwa 15 x 15 m vorzugeben. Die Tiere erreichen so keine zu große Geschwindigkeit, weil sie beim Loslaufen schon den Zaun auf der gegenüberliegenden Seite erkennen können. Gleichzeitig gewöhnen sie sich an den neuen Untergrund und lernen, dass am Boden Gras zum Fressen wächst. Je nach Temperament der Tiere bleiben sie ein bis zwei Tage im kleinen Bereich, bevor die ganze Weidefläche zum Fressen vorgegeben wird.

Wenn das Taxi ruft

Müssen Tiere mit einem Transportfahrzeug auf entferntere Weiden gebracht werden, hilft es, dass sie sich zuerst in einem Pferch aus Weidepaneelen oder fixen Holzzäunen vom Transport beruhigen können. Sonst kann es passieren, dass sie zu hektisch vom Viehwagen stürmen und in ihrer Panik den Zaun vor ihnen nicht wahrnehmen. Im Pferch können ebenfalls eine oder zwei elektrische Litzen gespannt werden.
Kurze Strecken zu nicht angrenzenden Weideflächen, können auch mit einem „Weidetaxi“ zurückgelegt werden. In diesen einfachen Gitterwagen ohne Boden gehen die Tiere selbst mit. Die Fahrgeschwindigkeit muss an das Verhalten der Tiere angepasst werden, um keine Unfälle zu verursachen.

Autor: Reinhard Gastecker, LK NÖ