Stallbau: Heute schon an morgen denken

© Breininger
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Mehr Tierwohl, geringe Baukosten und bessere Arbeitseffizienz: Diese drei Faktoren sind die Grundlage für einen erfolgreichen Stallbau.

Wird ein Stall neu gebaut oder umgebaut, sind viele Überlegungen anzustellen und Entscheidungen zu treffen. Am wichtigsten dabei sind die Themen Tierwohl, Kosten und Arbeitswirtschaft.
Ein Auszug aus einem Buch zeigt, welche Rolle das Thema Tierwohl bereits vor 110 Jahren spielte: „Das Tränken der Kühe soll niemals im Stalle stattfinden. Es ist den Kühen eine Wohltat, wenn sie an die frische Luft kommen und sich ergehen können, und gibt es nichts Unnatürlicheres, als wenn eine Kuh fast den ganzen Winter nie Gelegenheit hat sich zu ergehen, sondern immer angebunden ist… Wo die Sonne nicht hinkommt, kommt der Arzt hin, und das gilt nicht nur für die menschlichen Wohnungen, sondern auch für die Ställe“.
Dieses Zitat stammt von Dr. Paul Schuppli, Direktor der Landesschule für Almwirtschaft in Grabnerhof, Steiermark, 2. Auflage des „Leitfadens für die Viehhaltung am Oberhof“, 1909.

Tierwohl immer aktuell

Der Begriff „Tierwohl“ wird derzeit beinahe inflationär verwendet, zeigt aber sehr gut, wie aktuell dieses Thema in unserer Gesellschaft ist. Dieser Ausdruck geht weit über den gängigen Begriff der „artgerechten Tierhaltung” hinaus und ist als ein umfassendes Konzept vom Management über die Tierhaltung bis zur Schlachtung zu verstehen. Über 30 Jahre Erfahrung in der Beratung und Planung von Stallungen haben mir gezeigt, dass es eine ständige Weiterentwicklung und immer wieder Innovationen in der Tierhaltung gibt und wir heute noch nicht abschätzen können, wohin sich die Nutztierhaltung in Zukunft entwickeln wird. Der große Erfolg des Laufstalles bei den Rindern soll nur ein Beispiel für viele andere positive Entwicklungen sein. Aber – und das muss auch erwähnt werden – derselbe Laufstall brachte auch die „hornlose“ Kuh hervor. Und wer von uns hätte gedacht, dass wir uns heute mit dieser Thematik wieder auseinandersetzen müssen.

Das liebe Geld

Da die Wirtschaftlichkeit bei größeren Investitionen eine wichtige Rolle spielt, beginnt fast jede Beratung mit der Frage nach den Baukosten. Aber was gehört eigentlich alles zu den Baukosten? Die schlechte Nachricht: mehr als man allgemein meinen könnte. Da sind einmal die Kosten für Planung, Aufschließung und Errichtung, die Betriebskosten werden schon das eine oder andere Mal unterschlagen und an Abbruch- und Entsorgungskosten denkt fast niemand mehr. Obwohl gerade diese enorm hoch werden können. Aber wer denkt bereits beim Aufbau an den Abbruch oder an die Auswirkungen von Problemstoffen? Und wer heute baut, muss lernen, mit einem ständigen Wandel umzugehen. Einen Stall zu bauen, ist keine einmalige Aktion mehr, die einmal getätigt als abgeschlossen angesehen werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Fällen aus unterschiedlichsten Gründen in immer kürzer werdenden Abständen um- und dazu gebaut werden muss, weil sich verändernde Nutzungen neue räumliche Voraussetzungen benötigen.
Die gute Nachricht: vieles lässt sich im Vorhinein mit einplanen, indem vorausschauend, flexibel und mit recycelbarem Material gebaut wird.

Effizient und effektiv

Und schließlich geht es beim Planen auch immer um die Arbeit, wie kann man sie erleichtern, verbessern oder sogar verkürzen. Und hier kommt der Begriff der „Arbeitseffizienz” ins Spiel. Schließlich gilt Effizienz („Die Dinge richtig tun“) als Maß für die Wirtschaftlichkeit eines Systems und steht auch gleichzeitig für Produktivität.
Nicht vergessen sollten wir die Effektivität („Die richtigen Dinge tun“), denn diese gibt auch Auskunft über die Qualität einer Arbeit. Und es soll schon vorgekommen sein, dass mit Begeisterung und sehr effizient das Falsche getan wurde. Und das sowohl zu Lasten des Tierwohls als auch zu Lasten der Baukosten. Und was für den einen Betrieb wirtschaftlich sinnvoll ist, kann für einen anderen betriebswirtschaftlich unsinnig sein. Es gibt somit weder ein Patentrezept, noch den „idealen“ Stall.

Der Stall als Visitenkarte

Ein weiterer mir wichtiger Aspekt wird leider sehr oft vernachlässigt, es ist die Architektur. Ställe sind Teil der verbauten Umwelt, prägen nicht unerheblich unser Landschaftsbild und tragen auch zum Image der Landwirtschaft bei, im Positiven wie im Negativen. Dieser Gesichtspunkt sollte allen in diesem Bereich Tätigen bewusst sein und dazu beitragen, dass auch bei streng funktionalen Vorgaben und bei wirtschaftlich eingeschränkten Ressourcen qualitätsvolle Gebäude errichtet werden.
Meine langjährigen Erfahrungen auf diesem Fachgebiet erlauben es mir, noch kurz folgenden Gedanken anzusprechen: Wir waren schon einmal mutiger! Wir, das sind die Bauberater und Planer, die Bauern und Bäuerinnen, die schon einmal viel beherzter an die Sache herangegangen sind. Sicherheitsdenken hat Experimentierfreude und Risikobereitschaft abgelöst. Gerade jetzt, wo neue Herausforderungen und Aufgaben anstehen, sind unkonventionelle und vielleicht auch eigenwillige Lösungen wieder gefragt. Diese Begeisterung für außergewöhnliche Baulösungen, ganz speziell bei Bio-Betrieben, habe ich als Bauberater immer mit großem Respekt und Bewunderung wahrgenommen. Als Beispiel möchte ich die Rinderhaltung anführen. In den nächsten Jahren werden uns Themen wie die „muttergebundene Kälberaufzucht“ oder „behornte Rinder im Laufstall“ beschäftigen. In beiden Bereichen gibt es bereits erste Ansätze und stallbautechnische Lösungen. Aber solche Herausforderungen können nur von innovativen Betrieben angegangen und gelöst werden. Wie schnell solche Themen auf die Betriebe einstürzen können, sieht man beispielsweise an der Diskussion über die Anbindehaltung. Auch das Thema Technik in der Tierhaltung mit dem Einsatz von immer raffinierteren Robotern wird das Bild eines Stalles nachhaltig verändern.

Auf der Suche nach praktikablen Lösungen wird uns die Vielfalt an Stallsystemen helfen und zum Glück wurde nie auf ein einziges System gesetzt und dieses als das „Beste“ verkauft. Man kennt dieses Manko aus anderen Bereichen der Tierhaltung.
Auf diesem Weg wünsche ich euch geduldige Berater und Planer als Begleiter, denn gerade gute Dinge entstehen nicht von heute auf morgen.

Autor:

DI Walter Breininger, Leiter Baureferat, LK Steiermark