Wir sind für die Artenvielfalt im Weingarten verantwortlich!

@ HBLFA Raumberg-Gumpenstein

Christian Söll bewirtschaftet gemeinsam mit Bastian Kaltenböck das Weingut NeueHeimat in Gamlitz in der Südsteiermark. Seit fünf Jahren bewirtschaften sie elf Hektar biologisch und legen ein großes Augenmerk auf die Biodiversität im Weingarten. Auch darum nehmen sie am Projekt VineAdapt teil.

Was war für dich die Motivation, als Praxisbetrieb im Projekt VineAdapt mitzumachen?

Christian Söll: Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema Biodiversität und Begrünung. Auch deswegen, weil der Boden am Betrieb lange Zeit nicht im Fokus der Bewirtschaftung stand und somit der Ertrag bereits rückläufig war. Von daher habe ich mich intensiv mit dem Thema Boden befasst und auch Versuche mit Begrünungen gemacht, was aber nicht wirklich zufriedenstellend verlaufen ist. So habe ich sofort zugesagt, als die BIO AUSTRIA Weinbauberaterin Sabrina Dreisiebner-Lanz gefragt hat, ob wir als Projektbetrieb mitmachen wollen.

Wie sieht die Vorgehensweise auf eurem Betrieb aus?

Wir nehmen mit zwei unterschiedlichen Arten von Weingärten am Projekt teil. Da ist einerseits eine Junganlage im ersten Jahr. Die Fläche lag zuvor brach, nun wollen wir ihr mit der Begrünung einen guten Startschuss geben. Die anderen Parzellen sind recht vergraste Flächen mit 30 Jahre alten Rebstöcken. Hier experimentieren wir mit Frühjahrs- und Herbstansaat.

Wir haben generell zwischen den Weinzeilen zwei unterschiedliche Zonen angelegt. Im Reifenbereich der Traktoren haben wir eine robuste Grasmischung, die eine gute Befahrbarkeit gewährleistet. Dazwischen ist die Zone mit den blühenden Kräutern. Dafür haben alle Projektbetriebe eine Saatgutmischung mit 31 unterschiedlichen Pflanzenarten erhalten. Es ist auch Teil des Projekts zu ermitteln, welche Pflanzen sich je nach Standort und Bodenbedingungen gut etablieren.

Welche Pflanzen aus der Saatgutmischung haben sich bei euch gut entwickelt?

Auf unserem Standort haben wir einen sehr sandigen, warmen und kalkfreien Boden. Hier haben sich besonders Wilde Möhre, Margerite, Nelken, Färberkamille und Mohn gut entwickelt. Auch Leguminosen aus der Mischung sind vorhanden, während sich Gelb-Labkraut oder Wiesensalbei spärlich zeigen.

Was war für dich bisher die wichtigste Erkenntnis aus dem Projekt?

Das war definitiv die Bedeutung der Saatbettbereitung. Bei unseren eigenen Versuchen haben wir mit der Kreiselegge den Boden geöffnet und anfangs mit einer Stabwalze, in weiteren Versuchen mit einer Güttlerwalze das Saatgut angewalzt. Das Saatbett war aber nicht fein genug und die Samen sind zu tief in den Boden gelangt. Außerdem wurden die bestehenden Grasbüschel zu wenig verletzt. So ist immer das Gras zuvor aufgegangen und die Saatgutmischung hat sich schlecht etabliert. Nun haben wir auf Empfehlung nach der Kreiselegge noch zusätzlich eine Umkehrfräse eingesetzt. Diese sorgt dafür, dass die gröbere Erde unten und die feinere Erde oben landet. Das schafft ein perfektes Saatbett für den Aufgang.

Wie sieht nun die Bewirtschaftung der Begrünung aus?

Wichtig ist, dass die Begrünung nach dem Ansäen genug Zeit hat, sich zu entwickeln. Wenn im Frühjahr angesät wird, sollte man im Herbst das erste Mal mähen. Sollten unerwünschte Pflanzen drohen, die neu angesäten Pflanzen zu überwuchern, muss man dazwischen aber unbedingt einen Reinigungsschnitt durchführen, ohne die erwünschten Pflanzen zu verletzen.

Dazu haben wir ein alternierendes System beim Mähen: Wir mähen nur jede zweite Zeile gleichzeitig, die übrigen Zeilen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt gemäht. So können Pflanzen noch aussamen und Insekten können wandern. Wir gehen davon aus, dass die Dauerbegrünung bei einmaliger Mahd pro Jahr auf jeden Fall vier Jahre gut halten wird, vermutlich auch länger. Bei starkem Zuwachs wird auch mal eine Zeile zweimal pro Jahr oder nur im Fahrspur- und Stockbereich gemäht. Essentiell ist es aber, niemals zu tief zu mähen, sonst treiben die Pflanzen durch die Verletzung nicht neu aus. Wichtig ist außerdem gerade unmittelbar nach der Saatbettanlage das regelmäßige Freimachen des Unterstockbereichs. Von hier kommt es nämlich zu unerwünschtem Samenzuflug.

Was ist in der Steiermark eine besondere Herausforderung bei der Begrünung in Weinbergen?

Hier in der Gegend ist es nicht üblich, regelmäßig umzubrechen und neu einzusäen, wie das in anderen Regionen normal ist. Die Erosionsgefahr ist bei unseren Witterungsbedingungen in den Hanglagen sehr groß, wenn der Boden geöffnet ist. Daher muss eine Begrünung möglichst lang halten und man soll nicht regelmäßig nachsähen müssen. Außerdem muss im Steilhang die Begrünung besonders robust sein und ein sicheres Befahren gewährleisten. Darum auch die verschiedenen Zonen im Saatbett und das Experimentieren mit dem Saatzeitpunkt.

Nun läuft das Projekt ja erst kurz – aber hast du schon Effekte gesehen in Hinblick auf die Biodiversität?

Gibt es in den Weinbergen vielleicht Tierarten, die vorher noch nicht da waren?

Mich freut es, dass ich zum Beispiel vermehrt Wespenspinnen und Gottesanbeterinnen in den Weingärten entdeckt habe. Das sind räuberische Tiere, die von anderen Insekten leben. Was wiederum bedeutet, dass genug Nahrung in Form von Insekten da ist. Auch viele verschiedene Heuschreckenarten habe ich im Weingarten entdeckt. Im Boden merkt man eine Zunahme an Regenwürmern.

Was erwartest du dir in Zukunft noch für positive Effekte der Begrünung?

Auf unserem Betrieb gibt es Weinflächen, wo der Ertrag schlecht ist, laut Bodenanalysen aber alle Nährstoffe vorhanden sind. Ich erhoffe mir, hier die Nährstoffumsetzung über Begrünungen zu verbessern, damit die Nährstoffe für die Weinreben zur Verfügung stehen. Dafür möchte ich besonders mit Leguminosen, tiefwurzelnden Kräutern und Buchweizen arbeiten. Außerdem will ich durch die Begrünungen noch mehr blühende Vielfalt schaffen.

Gibt es bei euch weitere Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität?

Wir haben neben den Blühstreifen in den Weingärten Hecken angelegt und es gibt immer wieder Böschungen und Zonen, die gar nicht gemäht werden. Außerdem wurde vor fünf Jahren ein 0,5 Hektar großes Biotop angelegt, dessen zentrale Rolle zwei Teiche spielen. Es wird nicht bewirtschaftet, aber regelmäßig kultiviert. Dies ist ein Reservoir für Pflanzen und Tiere, die von dort aus auch in die Weinflächen einwandern können.

Hast du Tipps für andere Bio-Weinbauern, was Begrünungen betrifft?

Ich glaube, man darf am Anfang nicht zu groß denken, lieber auf einer kleinen Fläche probieren und Erfahrungen sammeln. Sonst kann man auch schnell viel Geld in den Sand setzen. Auf jedem Betrieb sind die Bedingungen anders, deshalb gibt es kein Patentrezept. Umso wichtiger ist es, sich wirklich intensiv damit zu befassen.

Als Bio-Weinbauer sehe ich eine große Verantwortung bei mir und allen anderen Bauern, die Artenvielfalt zu fördern. Im Weingarten haben wir große, ungenutzte Flächen. Hier ist enormes Potenzial vorhanden, die Tier- und Pflanzenvielfalt zu fördern. Diese Chance müssen wir unbedingt wahrnehmen!

Das Interview führte Elisabeth Pöckl, BIO AUSTRIA Bundesverband.

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