Alte Sorten: Raus aus der Nische

© Loidolt
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Vielfalt war lange eine der wichtigsten Strategien von Bäuerinnnen und Bauern, um das hohe Risiko der landwirtschaftlichen Produktion zu verringern. Heute gelten 75 Prozent der Sorten als unwiederbringlich verloren.

Die Anpassung von vielfältigen Pflanzenpopulationen an ihre Umwelt wurde im 20. Jahrhundert durch massive Veränderungen der Umwelt der Pflanzen, durch Kunstdünger, Pestizide und Flurbereinigung ersetzt. In der Vermarktung setzten sich Einheitlichkeit und Lagerfähigkeit gegen Vielfalt in Form und Geschmack durch. So gingen im letzten Jahrhundert laut UNO Agrar- und Ernährungsorganisation 75 % der vorher verwendeten Pflanzensorten unwiederbringlich verloren.
Vielfalt ist aber tatsächlich schwer zu messen und ist mehr als die Summe der genutzten Sorten und Arten. Bei manchen Arten sind viele Sorten genetisch sehr ähnlich und unterscheiden sich nur durch wenige Merkmale. Diese genetische Verengung führt zu vielen Problemen; Schädlinge und Krankheiten können auch eingekreuzte Resistenzen schnell überwinden.

Vielfältiger werden

Die neue EU Bio-Verordnung erkennt die Wichtigkeit pflanzlicher Diversität an und ermöglicht ab 2021 die Vermarktung von Saatgut genetisch vielfältiger Sorten ohne langwierige Prüfung. Das soll einerseits Schwung in die Bio-Züchtung bringen und andererseits die Kulturpflanzenvielfalt wieder zu einem fixen Bestandteil in der Werkzeugkiste jedes Bio-Betriebs machen. Auf viele Herausforderungen des Pflanzenbaus kann die Antwort lauten: Vielfältiger werden! Fruchtfolgen, Zwischenfrüchte, Mischkulturen, Agroforst, Sortenmischungen und anpassungsfähige Sorten können Klimaextreme abfedern, die Bodenfruchtbarkeit verbessern und das Betriebsergebnis stabilisieren.

Bauern und Bäuerinnen können Bio-Hofsorten erhalten und weiterentwickeln und so den Verlust der Kulturpflanzenvielfalt stoppen. In einer globalisierten Welt werden lokale Spezialitäten immer wertvoller werden und Sortenraritäten sind längst keine Nische mehr, wie auch Maria und Herbert Loidolt aus Waidhofen an der Thaya im nachfolgenden Interview aufzeigen.

Welchen Mehrwert hat für euch die Kulturpflanzenvielfalt in der Vermarktung?
Herbert Loidolt Der Mehrwert in der Vermarktung liegt darin, dass ein weites Spektrum an Bedürfnissen bei den Kunden abgedeckt werden kann. Nicht nur Kartoffeln, sondern ebenso Getreidesorten können dank ihrer Qualität sowie der Rarität punkten. Die Vielfalt muss sich auch innerhalb eines Produktes durchsetzen und jeder soll sich seine eigene Lieblingssorte zum Beispiel von Kartoffeln aussuchen können.

Warum ist die Vielfalt an Kulturpflanzen überhaupt wichtig?
Herbert Loidolt Kulturpflanzenvielfalt ist nicht nur bei der Vermarktung interessant, sondern ebenso in puncto Schädlings- und Krankheitsanfälligkeit. Ein Großteil der Schädlinge kann dadurch minimiert werden, da dem Schädling oder der Krankheit kein Angriffspunkt gegeben wird, sich über einen längeren Zeitraum zu vermehren. Das anschauliche Beispiel hierfür wäre der Borkenkäfer, der in den Wäldern des Waldviertels nur dank der Vielzahl an Fichten wüten konnte, in einem Mischwald wäre das nicht möglich. Ebenso ist die Widerstandsfähigkeit mancher Pflanzen und Sorten gegenüber zunehmender Trockenheit, wie auch die Anpassung an diverse Bodenarten von Bedeutung.
Ein weiterer Punkt ist die Ertragsstabilität und somit die gesicherte Versorgung des Produktes für die Vermarktung, wenn auch bei weniger Ertrag in Summe.

Warum habt ihr euch entschieden, so viele Kartoffelsorten anzubauen und euch auf Kartoffelvermehrung zu spezialisieren?
Maria Loidolt Wir haben damit begonnenen, alte Obstsorten in unserem Obstgarten anzusetzen und sind auch von deren Geschmack und deren unterschiedlicher Reaktion auf sich ändernde Witterungsverhältnisse begeistert. Diese Begeisterung haben wir vom Obstgarten auf die Felder erweitert.

Eure Lieblingssorte?
Maria Loidolt Wir haben viele: Linzer Rose, Mehlige Mühlviertler, Goldsegen, Rosa Tannenzapfen und Erika, ideal kombiniert als Salat, Bratkartoffeln und Knödel, aber auch lecker als Rösti, Wedges oder Gnocchi.

Wie könnte man mehr Bäuerinnen und Bauern dazu motivieren, mehr Vielfalt zu produzieren?
Herbert Loidolt Bauern sind leider meist schwer zu begeistern, weil sie befürchten, dass der Ertrag sich verschlechtert oder dass der Arbeitsaufwand steigt. Um die Vielfalt zu wahren und sie zu erhöhen, ist Eigeninitiative notwendig. Eigeninitiative kann gefördert werden, wenn man Produzent und Konsument die Dringlichkeit einer Kulturvielfalt bewusst macht.

Wie kann man Konsumenten für Vielfalt begeistern?
Maria Loidolt Ein wesentliches Argument ist der Geschmack und dessen Nuancen. Kartoffel ist nicht Kartoffel. Selbiges gilt auch bei Salaten, Getreidearten, Früchten, Gemüsesorten und natürlich Obst. Man kann Konsumenten begeistern, indem man ihnen zeigt, wie groß die Vielfalt ist, dass es mehr gibt als beim Supermarkt ums Eck.

Autoren: BA Emil Platzer und Magdalena Aigner, Verein ARCHE NOAH, Bereich Vielfalt am Bio-Betrieb