Herdenmanagement ist für alle Betriebe wichtig

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Was ist Herdenmanagement? Bei diesem Begriff denkt man wahrscheinlich an große Milchviehherden mit Melkroboter, regelmäßige Auswertungen der Milchleistungsdaten und vielleicht sogar Pansensensoren. Aber es umfasst viel mehr und ist für fast alle Betriebe – Geflügel, Schwein, kleine und große Wiederkäuer – relevant.

Als Definition für Herdenmanagement beschreibt A. Pelzer (2012) „Die Arbeiten mit den Tieren und am Tier, die betrieblichen Arbeitsabläufe und -strukturen sowie die Datenpflege, Entscheidungen und deren Umsetzung“ und J.L. Dillon (1980) betont, dass es darum geht, dass Betriebsleiter versuchen, durch Entscheidungen und Maßnahmen, die auf vorhandenen Daten basieren, Ziele zu erreichen.

Herde und Einzeltier

Dabei steht die Herde im Fokus, also eine Gruppe von Tieren, für die Entscheidungen getroffen werden, also zum Beispiel wann wird geimpft, wie wird gefüttert, wann finden die Geburten statt. Dies kann auch schon kleinere Gruppen betreffen, auch für zum Beispiel 32 Sauen kann ein sogenannter „Abferkelrhythmus“, Sinn machen. Dazu ist zu betonen, dass jedes einzelne Tier dabei wichtig bleibt und sogar als „Spitze des Eisbergs“ darauf aufmerksam machen kann, dass in der Herde etwas nicht stimmt: Als Beispiel sollte eine Kuh mit akuter Mastitis nicht nur behandelt, sondern auch zum Anlass genommen werden, bei allen Tieren wieder einen Schalmtest zu machen oder eine bakteriologische Untersuchung durchzuführen.

Zur Herde gehört der Mensch, der managt: „Managen“ bedeutet planen, entscheiden und bewältigen; also eine Herde leiten. Dazu sind zunächst Strukturen für eine systematische Arbeitserledigung wie zum Beispiel saisonal geblockte Abkalbungen, Ablammungen oder ein Abferkelrhythmus zu nennen. Diese sind nicht nur für effizientere Arbeitsabläufe, sondern auch für eine gute Tiergesundheit wichtig, da eine optimale Tierbeobachtung sowie zum Beispiel ein „Rein- Raus-System“ und damit die effiziente Reinigung und Desinfektion ermöglicht werden. Gleichzeitig müssen der Stall, das Weide- aber auch das Fütterungs- und Gesundheitsmanagement angepasst werden, um Ressourcen optimal zu nutzen, Arbeitsspitzen erfolgreich zu bewältigen, die Übersicht zu bewahren und Erholungsphasen zu schaffen.
Management bedeutet außerdem, Probleme vorzubeugen und zu behandeln, die auch bei den besten Betrieben immer vorkommen können: Gute Betriebsleiter erkennen herausfordernde Situationen früh, zum Beispiel Federpicken bei Legehennen und können diese durch Managemententscheidungen schnell bewältigen und in Zukunft vermeiden. Dabei sind Einfühlungsvermögen (ab wann muss ich eingreifen?), umfangreiches Wissen (Aus- und Weiterbildung), Zeit (tägliche Tierbeobachtung, aber auch Zeit für Datenerfassung und -auswertung) und Kommunikationsfähigkeit (Familie, Mitarbeiter, Berufskollegen) wesentlich.

Daten auswerten

Um Entscheidungen treffen zu können, muss zunächst klar sein, was das Ziel für den Betrieb ist und dann die momentane Situation damit verglichen werden. Dabei helfen möglichst vielfältige Daten, die meistens ohnehin am Betrieb vorhanden sind wie zum Beispiel Leistungsdaten (LKV, Sauenplaner), Behandlungen (Antibiotikamonitoring, Medikamentenbuch), Tierbeobachtung (BIO AUSTRIALeitfaden Tierwohl) oder Rückmeldungen vom Schlachthof. Es können handschriftliche Einträge im Kalender, Excel-Dateien, Daten aus der Software von Abrufstationen, Pansensensoren oder Herdenmanagementprogrammen verwendet werden. Auch hier gilt – der Mensch entscheidet, wie zuverlässig und vollständig diese Daten sind.
Dazu kommt, dass nicht nur die Dokumentation, sondern eine sinnvolle Nutzung wesentlich für ein erfolgreiches Herdenmanagement sind: Dies bedeutet, dass regelmäßig, aber zumindest ein- bis zweimal jährlich die Daten zusammengefasst werden und der Anteil betroffener Tiere je Zeiteinheit berechnet wird: Dies kann zum Beispiel als Anzahl der Mastitisbehandlungen je 100 Tiere je Jahr („Inzidenz“) oder Anzahl der lahmen Tiere je 100 Tiere zum Beobachtungszeitpunkt („Prävalenz“) dargestellt werden. Diese Zahlen können dann mit den Daten des eigenen Betriebes vom letzten Jahr (Haben die gesetzten Maßnahmen gewirkt?) oder auch mit den Daten von anderen, ähnlichen Betrieben verglichen werden (Wo stehe ich im Vergleich zu den anderen?).

Wichtig ist auch die Zusammenführung von verschiedenen Datenquellen: So können Schlachthofdaten zu Lungenentzündungen mit den Behandlungen im vergangenen Jahr und der momentanen Situation (Husten) verknüpft werden. Dadurch kann besser bewertet werden, ob das Problem akut ist, oder zum Beispiel die neue Impfung gewirkt hat. Aber auch Fütterung, Haltung, Zucht können so gemeinsam betrachtet werden: Eine verlängerte Zwischenkalbezeit ist nicht nur ein Fruchtbarkeitsproblem, sondern kann mit Lahmheit zusammenhängen und diese wiederum durch Fütterung (Stoffwechselerkrankungen) oder Haltung (Bodengestaltung) verursacht werden.

Entscheidungen treffen

Basierend auf den Auswertungen können dann gute Entscheidungen getroffen werden: Dabei ist es wichtig, dass nicht zu viele Ziele auf einmal gesetzt werden, um nicht die Motivation zu verlieren. Auch die Priorisierung ist wichtig – manches muss rasch gehen wie zum Beispiel Klauenschneiden, anderes ist eher langfristig umzusetzen wie zum Beispiel ein Stallum- oder Stallneubau, manche Arbeiten sind besser im Frühjahr zu erledigen, andere im Winter. Auch eine Evaluierung der Maßnahmen ist wichtig, um zu beurteilen, ob sie gewirkt haben oder angepasst werden müssen und wieder neue Ziele gesetzt werden. Für die Umsetzung der Maßnahmen ist es wesentlich, dass alle Beteiligten bei der Entscheidung dabei sind. Auch Unterstützung durch Kollegen beispielsweise aus Arbeitskreisen, durch Berater, Betreuungstierärzte stellt sicher, dass man nicht „betriebsblind“ wird – dazu wirkt der Besuch anderer Betriebe sehr motivierend und gibt viele neue Ideen.

Herdenmanagement ist die Basis für gute Tiergesundheit und Tierwohl, aber auch für eine effiziente und strukturierte Arbeit am Betrieb. Der Mensch mit seinen Entscheidungen und der Umsetzung von Maßnahmen bis hin zur Veränderung baulicher Gegebenheiten macht den Unterschied, ob ein Betrieb wirtschaftlich erfolgreich ist – und zudem sorgt ein gutes Herdenmanagement auch dafür, dass das „Leben in der Familie und im sozialen Umfeld den ihm gebührenden Stellenwert erhält“ (A. Pelzer, 2012).

Autoren:
Univ. Prof. Dr. Christoph Winckler und Assoc. Prof. Dr. Christine Leeb, Universität für Bodenkultur, Wien

Dillon J.L. (1980): The definition of farm management. Journal of Agricultural Economics, UK.
Pelzer A. (2012): Herdenmanagement in wachsenden Milchviehbetrieben, 39. Viehwirtschaftliche Fachtagung Raumberg-Gumpenstein