Höchste Zeit die Biobäuerinnen und Biobauern zu entlasten

Veröffentlicht am 28. Juli 2025
© BIO AUSTRIA / Augustin Koch

Aktuelle Diskussion zum Thema Weide in Deutschland zeigt die Spitze eines Eisbergs

Kommentar der Obfrau von BIO AUSTRIA

Aus Deutschland erreichen uns aktuell besorgte Signale der Bio-Verbände: Die Auslegung der Weidevorschriften gemäß EU-Bio-Verordnung wurde aufgrund einer Prüfung der Europäischen Kommission kurzfristig geändert. Viele tierhaltende Betriebe sehen sich nicht imstande die neuen Auflagen auf ihren Betrieben umzusetzen und fürchten um ihre Existenz. Gleichzeitig steht die Entscheidung über mehrjährige Verpflichtungen in den Förderprogrammen vor der Türe. Wir fühlen uns mit den Biobetrieben und unseren Schwesterverbänden in Deutschland solidarisch verbunden: Vor wenigen Jahren waren wir in Österreich in einer ähnlichen Situation. Wir können daher die betrieblichen Herausforderungen sehr gut nachvollziehen wie auch die Forderung nach europäischen Rechtsvorschriften, die von Bauern unter den – in Europa sehr diversen Voraussetzungen – auf ihren Betrieben auch gemanagt werden können.

In Österreich ist bereits im Jahr 2022 eine neue Auslegung der Weidevorschriften in Kraft getreten. Viele Biobäuerinnen und Biobauern haben hierzulande enorme Anstrengungen unternommen, um den neuen Anforderungen zu genügen. Allerdings haben nicht wenige die Tierhaltung aufgegeben, einige sahen sich gezwungen aus Bio ganz auszusteigen. Das ist sehr schmerzhaft. Es bedurfte enormer Kraftanstrengungen um etwa die gesonderte Betrachtung von Kälbern, die Berücksichtigung veterinärmedizinischer Aspekte oder die Verankerung eines regionaltypischen Optimums für das Weidemanagement zu erreichen. Ohne diese flexibleren Regelungen wären die Auswirkungen dramatisch gewesen. Und dennoch stellen die aktuellen Weidevorschriften auf vielen Betrieben auch heute noch eine große Herausforderung dar. Die stärkere Berücksichtigung etwa von Parasitenmanagement oder verhaltensbiologischen Aspekten bei der Jungviehweide sind dringende Anliegen für die Weiterentwicklung.

Es braucht aber viel mehr als tragfähige Lösungen nur für ausgewählte Probleme, nämlich eine klare politische Zielsetzung für eine effiziente sowie sozial und ökologisch funktionierende Bio-Lebensmittelproduktion. Eine Reform ist daher das Gebot der Stunde. Die Fülle an oftmals ausufernden Detailregelungen verhindert den Blick auf die dringlich notwendige Gestaltung positiv wirksamer politisch-rechtlicher Rahmenbedingungen.

Die Europäische Bio-Verordnung ist von enormer Bedeutung für die Produktion und Vermarktung von biologischen Lebensmitteln in Europa. Im Laufe der Jahre ist die Komplexität und der administrative Aufwand für Biobäuerinnen und Biobauern allerdings stark gestiegen und für viele Familienbetriebe zu einer unverhältnismäßigen Belastung geworden. Das hemmt die Entwicklung der Bio-Landwirtschaft maßgeblich und erschwert Innovationen. In Zukunft sollte bei jeder Bestimmung hinterfragt werden, ob diese notwendig ist, um die Integrität der biologischen Produktion zu wahren oder einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Wenn nicht, dann soll die Entscheidung über die Umsetzung bei den Landwirt:innen als primär Sachverständigen und die Beurteilung bei den Kontrollstellen bzw. zuständigen Behörden liegen.

Die Bio-Landwirtschaft trägt erwiesenermaßen maßgeblich zur Bewältigung drängender Herausforderungen wie Klimaschutz, Biodiversitätsverlust oder Gewässerschutz bei. Es ist daher das erklärte Ziel der EU-Kommission wie auch der österreichischen Bundesregierung die Bio-Landwirtschaft zu stärken. Und dafür braucht es Bäuerinnen und Bauern, die bereit sind das Regelwerk tagtäglich auf ihren Betrieben umzusetzen. 2023 und 2024 ist die Anzahl der Biobetriebe in Österreich allerdings deutlich zurückgegangen, seither stagniert sie. Das muss als Warnsignal ernst genommen werden. Überbordender bürokratischer Aufwand und praxisferne Vorschriften tragen zu dieser Entwicklung bei. Gemeinsam mit der Entwicklung der Märkte und der Honorierung der Leistungen der Biobetriebe durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) muss diese Baustelle dringend angegangen werden. Bürokratischer Aufwand ohne nennenswerten Mehrwert für die Integrität der Bio-Produktion und rein juristische Auslegungen ohne sachlichen Praxisbezug führen in eine Sackgasse. Der Europäischen Kommission kommt diesbezüglich die Schlüsselrolle zu, da sie die Umsetzung von EU-Recht überwacht und bei ihr auch das Vorschlagsrecht für gegebenenfalls notwendige Reparaturen am aktuellen Rechtsrahmen liegt.

Gefühlt seit Jahrzehnten ist in der Politik die Rede von Vereinfachungen, während sich die tägliche Praxis am Betrieb anders darstellt. EU-Agrarkommissar Hansen hat bereits angekündigt auch für die Bio-Landwirtschaft Vereinfachungs-Vorschläge auf den Tisch zu legen. Das sind gute Signale und wir sind zuversichtlich, dass nun die Zeit reif ist für Verbesserungen, die auf den Betrieben tatsächlich zu spürbaren Entlastungen führen. Dass die EU-Kommission vor wenigen Wochen vorgeschlagen hat, dass Bio-Betriebe in Zukunft auf einige Ziele der Mindestanforderungen (Konditionalitäten) in der GAP angerechnet werden, ist zu begrüßen. Aber das darf nur der Anfang gewesen sein. BIO AUSTRIA, als aktiver Teil der europäischen Biobewegung, wird sich jedenfalls grenzüberschreitend für die Ökologisierung der Landwirtschaft im Interesse von Konsument:innen und Landwirt:innen stark machen.