Offener Brief von Barbara Riegler an die Bauernzeitung

10. 10. 2023

Sehr geehrter Herr Chefredakteur Ing. Weber!

Mit großer Verwunderung und schließlich Verärgerung habe ich den Bericht auf der Titelseite und das Interview mit Prof. Von Witzke in der letzten Ausgabe der Bauernzeitung gelesen.

Ich verwahre mich auf das Schärfste gegen die darin getätigten respektlosen Ausführungen des deutschen Professors gegenüber Biobäuerinnen und Biobauern und die von ihnen produzierten hochwertigen Lebensmitteln. Bio-Landwirtschaft den ökologischen Mehrwert abzusprechen und sie gar als Klimasünder hinzustellen ist eine dreiste Verdrehung von Tatsachen. In Deutschland ist Herr Von Witzke dementsprechend seit langem als ausgewiesener Bio-Kritiker bekannt.

Nach Österreich kam er als Vortragender auf Einladung der Interessensvertretung der Pflanzenschutzmittelhersteller (IGP). Die Thesen des Professors untermauern deren Kritik an Maßnahmen der EU-Kommission im Rahmen des Green Deal, wie etwa die beschlossene Reduzierung von gefährlichen Pflanzenschutzmitteln. Diese, sowie der Ausbau von Bio-Landwirtschaft, sind keine guten Nachrichten für besagte Branche, sind doch damit einhergehend Umsatzeinbußen zu erwarten. Es ist legitim, dass die Pflanzenschutzmittel-Industrie gegen diese Maßnahmen mobilisiert. Die Einladung Von Witzkes als Referent ist Teil dessen. Dass dieser mit seinen offenkundig biofeindlichen Thesen gerade im Bio-Land Österreich Aufmerksamkeit erregen würde, war absehbar und wohl auch einkalkuliert.

Was uns Biobäuerinnen und Biobauern allerdings wirklich umtreibt, ist die Frage, warum ausgerechnet die Österreichische Bauernzeitung Herrn Von Witzke eine so große Bühne bietet. Zwar wird im einleitenden Artikel bestehende Kritik in der Wissenschaftsgemeinschaft an seinen Behauptungen erwähnt. Doch diese kurze Erwähnung steht in keinem Verhältnis zum ganzseitigen Interview, in welchem Herr Von Witzke jede Menge Platz bekommt, um seine Sichtweise darzulegen. Und was er dort vermittelt, ist höchst respektlos und von einer Geringschätzung der biologischen Wirtschaftsweise und der Biobäuerinnen und Biobauern getragen – und damit von einem Viertel der österreichischen Bauernschaft!

Daher hätte diesem Interview zumindest eine zweite Meinung in einem ähnlich prominenten Format in derselben Ausgabe gegenübergestellt werden müssen.

Da das nicht der Fall war, konnte leicht der Eindruck entstehen, dass die Bauernzeitung als Sprachrohr der Pflanzenschutzmittel-Industrie fungiert.

Für die Bauern – egal, ob konventionell oder biologisch wirtschaftend – ist das wohl nicht nachvollziehbar. Denn die Interessen der Bauern sind keineswegs mit den Interessen der Industrie gleichzusetzen, auch wenn man manchmal in der Debatte um Green Deal & Co. einen anderen Eindruck gewinnen könnte.

Trotz aller Hitzigkeit der agrarpolitischen Debatte und bei allem Verständnis für legitime Berichterstattung, selbstverständlich auch für Kritik an der Bio-Landwirtschaft – einseitige Verunglimpfungen nach Art Von Witzke dürfen in Zukunft keinen Platz mehr finden. Vom Bauernbund als Eigentümer der Bauernzeitung erwarte ich mir ein Bekenntnis zur ausgewogenen und sachlichen Berichterstattung.

Inhaltlich sind die Thesen des Professors ohnehin längst überholt: Von Witzke stellt Ertragsmaximierung als einzige Lösung für die Welternährung dar. Leider ist genau diese Einstellung die Ursache vielfältiger aktueller Probleme – von degradierten Böden, über verunreinigtes Trinkwasser bis hin zum galoppierenden Biodiversitätsverlust. Heute wissen wir zum Glück, dass in der Landwirtschaft die Multifunktionalität im Vordergrund stehen muss und allen voran die global ungleiche Verteilung von Lebensmitteln verändert werden muss, wenn man den Hunger in der Welt wirklich bekämpfen will.

Mit freundlichen Grüßen,

© BIO AUSTRIA / Fuchs

Barbara Riegler
Bundesobfrau BIO AUSTRIA

Brief als PDF

Hier zum Original-Artikel bzw. Interview in der Bauernzeitung.