Wichtige Krankheiten beim Geflügel

Legehennen Auslauf
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Viele Faktoren beeinflussen die Gesundheit von Bio-Geflügel. Die Tierärztin und Geflügelspezialistin Dr. Doris Gansinger beschreibt nachfolgend wichtige gesundheitliche Probleme und gibt Tipps, um Krankheiten vorzubeugen.

Gesundheitliche Probleme werden durch nichtinfektiöse und/oder infektiöse Faktoren verursacht. Beispiele für nichtinfektiöse Auslöser sind Vitaminmangel, Schadgase, Fütterungsfehler, Staub und Zugluft oder Managementfehler. Wichtig zu wissen ist, dass nichtinfektiöse Faktoren oft ein Wegbereiter für Infektionskrankheiten sind. So schädigt ein hoher Ammoniakgehalt zum Beispiel die Schleimhäute, welche dadurch leichter von Krankheitserregern befallen werden können.
Infektiöse Auslöser sind Viren, Bakterien, Pilze sowie innere (Kokzidien, Würmer) und äußere Parasiten (Milben).

Krankheiten bei Legehennen

Häufige Krankheiten bei Legehennen sind Eileiterentzündungen, Gefiederschäden, Sohlenballengeschwüre, Brustbeindeformationen und Parasitenbefall; in einigen Regionen Österreichs treten seit einiger Zeit auch vermehrt Pockeninfektionen auf.

Eileiterentzündungen

Entzündungen im Eileiter werden durch verschiedene Viren und Bakterien verursacht und zeigen sich meist in einem Rückgang der Legeleistung, in Eischalenveränderungen und Problemen mit der Eiqualität sowie durch Apathie, Durchfall und erhöhte Ausfälle. Bei den Sektionen sind – unabhängig vom Alter der Tiere – bei rund 70 Prozent der Tiere pathologische Veränderungen im Legetrakt zu finden.
Der mit Abstand häufigste Auslöser für eitrige Eileiterbauchfellentzündungen sind E. coli-Keime, diese Bakterien kommen überall vor und sind bei vielen Lebewesen normale Darmbewohner (Fäkalkeim). Ihr Vermehrungspotenzial ist enorm. Eine E. coli-Bakterie kann sich im Idealfall dreimal pro Stunde teilen. Dadurch entwickeln sich sehr rasch riesige Keimzahlen, die schwere Erkrankungen und hohe Ausfälle verursachen können.

Sehr häufig in Zusammenhang mit Erkrankungen durch E. coli stehen Fehler bei der Lüftungstechnik. Bei Problemen mit Eileiterentzündungen muss daher unbedingt auch das Lüftungs- und Stallklimamanagement überprüft werden.
Ebenso wichtig ist es, den Infektionsdruck durch Hygienemaßnahmen möglichst niedrig zu halten und das Immunsystem der Tiere zum Beispiel mithilfe von Impfungen gezielt zu stimulieren. In meiner Praxis bewährt hat sich auch die Ausbringung von probiotischen Bakterien.
Möglichst zu vermeiden sind Schädigungen der Darmflora, da diese immer mit einer Schwächung der Immunabwehr und einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmbarriere einhergehen. Folglich können Keime leichter in den Körper eindringen und Infektionen verursachen.

Gefiederschäden, Haut- und Zehenverletzungen

Bei rund 40 Prozent der Herden kommt es mit zunehmendem Alter zu einem deutlichen Gefiederverlust. Hauptursache für Gefiederschäden und Hautverletzungen sind Federpicken und Kannibalismus, was wiederum ein Hinweis für Stress, Fütterungsfehler wie Mangelernährung, Milbenbefall, schlechte Aufzuchtbedingungen und andere Managementfehler ist.
Bei Legehennen sind Sohlenballengeschwüre und Brustbeindeformationen ebenfalls vermehrt mit zunehmendem Alter – meist ab der Legespitze – zu finden.
Treten in einer Herde Federpicken und/oder Kannibalismus auf, müssen die Ursachen umgehend analysiert und beseitigt werden. Wie Gefieder, Haut- und Zehenverletzungen zu beurteilen sind, kann im BIO AUSTRIALeitfaden Tierwohl nachgelesen werden.

Geflügelpocken verursachen an Kamm und Kehllappen Hautveränderungen, die Pickverletzungen sehr ähnlichsehen können und eine Abklärung über eine Laboruntersuchung erforderlich machen.

Parasiten

Die häufigsten Innenparasiten bei Legehennen sind Würmer. Spul-, Haar-, Band- und Blinddarmwürmer, die auch als Überträger von Histomonas, dem Erreger der Schwarzkopfkrankheit, fungieren.
Der wichtigste Außenparasit bei Legehennen ist die Rote Vogelmilbe. Sie ernährt sich vom Blut der Legehennen und ist bei starkem Befall eine enorme Belastung für die Tiere. Sie kann zu schweren Irritationen, Nervosität und Federzupfen führen.
In Verbindung mit einem verstärkten Parasitenbefall ist sehr häufig auch ein Rückgang der Legeleistung, der Eigewichte und eine Verschlechterung der Eiqualität zu beobachten.
Damit Parasiten nicht überhandnehmen, sollten in regelmäßigen Abständen Kontrollen und gegebenenfalls Bekämpfungsmaßnahmen in Absprache mit dem Tierarzt durchgeführt werden.

Krankheiten bei Masthühnern

Dottersackinfektionen und bakterielle Erkrankungen Bei der Aufzucht von Mastküken treten die höchsten Verlustraten meist zwischen dem zweiten und fünften Lebenstag auf. Die häufigsten Ursachen dafür sind Dottersackinfektionen und allgemeine bakterielle Infektionen, wobei auch hier wiederum E. coli eine wichtige Rolle spielt.
Bei älteren Tieren stehen eher Verluste durch Bauchwassersucht, Herzdilatation und Stauungslebern im Vordergrund.

Kokzidien und Clostridien Kokzidien sind einzellige Darmparasiten, die vor allem bei ungeimpften Tieren sehr schwere Erkrankungen und hohe Sterblichkeit verursachen können. Clostridien sind Bakterien, die alleine oder in Verbindung mit Kokzidien zu schweren Darmentzündungen und hohen Tierverlusten führen können.

Erkrankungen des Bewegungsapparates Immer wieder werden Tiere mit Femurkopfnekrosen und/oder Vergrößerungen und Entzündungen bei den Gelenken gefunden. Gerade bei den häufig auftretenden Nekrosen am Femurkopf dürften auch E. coli-Bakterien neben Genetik und Fütterung eine wichtige Rolle spielen, da bei rund 80 Prozent der untersuchten Tiere nur E. coli-Bakterien gefunden werden und sich kein Zusammenhang mit Hygiene und Management herstellen lässt.

Perosis Durch ein Abrutschen der Achillessehne vom Rollkamm entstehen sogenannte „Spreitzer“. Die Tiere haben nach außen oder innen verdrehte Sprunggelenke. Als Hauptursache vermutet man Genetik und Fütterung. Zur Vorbeuge ist eine optimale Zufuhr von Vitamin D3, Kalzium, Phosphor sowie Cholin, Mangan und Biotin wichtig.

Infektiöse Bronchitis Bestimmte Stämme von IB-Viren können Nierenentzündungen verursachen, die sich dann in einem Harnsäurestau, Durchfall und Sekundärinfektionen äußern, was wiederum zu erhöhten Ausfällen, verringerten Tageszunahmen, feuchter Einstreu und in weiterer Folge zu massiven Problemen mit Sohlenballenentzündungen führen kann.

Fußballenveränderungen Fußballenveränderungen entstehen vor allem durch eine Reizung der Haut in Zusammenhang mit feuchter Einstreu, verschmutzten Oberflächen oder schlecht gestalteten Sitzstangen. Tiefergehende Fußballenveränderungen bewirken eine schmerzhafte, permanente Entzündung. Die Tiere empfinden beim Gehen Schmerzen, bewegen sich weniger und nehmen auch weniger Futter auf. Die Folgen sind geringere Tageszunahmen sowie schlechtere Leistungen.
Fußballenveränderungen sind ein wichtiger Indikator für das Tierwohl und für das Haltungsmanagement. Die Tiere sollten daher regelmäßig auf Fußballenveränderungen kontrolliert werden. Wie Fußballenveränderungen zu beurteilen sind, ist im BIO AUSTRIALeitfaden Tierwohl zu entnehmen.

Ganzheitlich vorbeugen

Meine langjährige Erfahrung zeigt, dass die Vorbeugung von gesundheitlichen Problemen bei Bio-Geflügel die Kombination bewährter Managementmaßnahmen und ganzheitlicher Konzepte umfasst. Zu den wichtigsten Managementmaßnahmen zählen Maßnahmen im Bereich der Biosicherheit, des Stallklimas, der Fütterung, der Tierbetreuung, der Reinigung und Desinfektion sowie Impfungen, die individuell an die jeweiligen Erfordernisse der Betriebe angepasst werden.
Bei einem ganzheitlichen Konzept ist es wichtig, die Bakterienflora der Tiere und die Bakterienflora des Stalles immer gemeinsam zu betrachten. Das „Darmmikrobiom“ und das „Stallmikrobiom“ stehen durch einen ständigen Austausch untrennbar miteinander in Verbindung und beeinflussen sich maßgeblich gegenseitig. Eine „gesunde, harmlose und vielfältige“ Bakterienflora ist daher auch in der Umgebung der Tiere wichtig.

So helfen Hygienemaßnahmen und die bewusste Gestaltung des „Stallmikrobioms“ mit probiotischen Stabilisatoren, das Wachstum unerwünschter Krankheiten verursachender Keime zu unterdrücken, was in Folge das Infektionsrisiko für die Tiere senkt, die Belastung für das Immunsystem reduziert und die Gesundheit des Darmmikrobioms fördert.
Ein gesundes Darmmikrobiom ist die Basis für Entwicklung und Erhalt eines leistungsfähigen Immunsystems. Der Aufbau funktioniert am besten mit der Verwendung einer natürlichen Geflügeldarmflora und der Vermeidung von Antibiotikagaben, welche die Entwicklung eines belastungsfähigen Immunsystems beeinträchtigen.
Zum Erhalt eines gesunden Darmmikrobioms sind vorbeugende Maßnahmen im Bereich der Fütterung und in der Umgebung der Tiere wichtig. So kann die Gesundheit vorbeugend gefördert und stabilisiert werden.

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Dr. Doris Gansinger ist Fachtierärztin für Geflügel in Aurolzmünster in Oberösterreich und beschäftigt sich seit über 20 Jahren intensiv mit dem Einsatz von Kräutern bei Tieren. Sie ist Mitglied im Arbeitskreis Phytovet und Mitautorin beim Buch „Kräuter für Nutz- und Heimtiere“.

TIPP!

Wichtige Krankheitsbilder finden Sie im BIO AUSTRIALeitfaden Tierwohl für Geflügel. Der Leitfaden Tierwohl ist ein Werkzeug, mit dem das Wohlergehen der Herde einfach und vor allem rasch beurteilt werden kann. Die Bewertung erfolgt anhand von tierbezogenen Indikatoren. Ein Blick auf ein Ampelsystem zeigt unmittelbar nach der Bewertung, wo man bereits gut unterwegs ist und wo noch Handlungsbedarf besteht.

Tierwohl-Evaluierung

Auf Betrieben mit mehr als 1000 Endmastplätzen ist das Wohlbefinden der Tiere mittels des BIO AUSTRIALeitfadens Tierwohl Geflügel vom Betriebsleiter jährlich zu überprüfen. Darüber hinaus wird die Evaluierung gemeinsam mit externen Fachleuten (Berater, Tierärzte, Geflügelhalter mit nachgewiesener Tierwohlschulung) regelmäßig durchgeführt:
• bei 1000 bis 4800 Endmastplätzen alle fünf Jahre
• bei über 4800 Endmastplätzen alle drei Jahre

Leitfaden zum Download: www.bio-austria.at -> Bio-Bauer -> Tierwohl auf einen Blick