„Die Kuh arbeitet 24 Stunden im Stall“

© Hofbauer
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Die Kuh arbeitet im Stall und muss sich dort wohlfühlen. Nur dann kann sie ihre Leistung erbringen, so Tierarzt und Klauenexperte Michael Hulek.

Du kommst als Tierarzt in unterschiedliche Ställe. Worauf sollen aus deiner Sicht die Bauern bei einem Um- oder Neubau besonders achten?
Hulek Zunächst muss man die Bedürfnisse der Kuh kennen und die Funktionsbereiche entsprechend dieser Bedürfnisse ausrichten. Das klingt einfach, ist es aber nicht, oft liegen die Probleme im Detail. Aber zurück zu den Bedürfnissen. Jedem Bauern und jeder Bäuerin muss klar sein, dass der Stall in erster Linie der Arbeitsplatz der Kuh ist und das 24 Stunden lang, während der Bauer sich dort vielleicht drei Stunden lang aufhält. Es liegt daher auf der Hand, dass sich die Kuh im Stall wohlfühlen muss, sie muss, sagen wir dort glücklich sein, sonst gibt es früher oder später Probleme oder es kommt zu einem Leistungsabfall.

Und wann fühlt sie sich wohl?
Zunächst sind Luft, Licht und Temperatur wesentlich. Die Kuh ist geruchsempfindlich, sie mag frische Luft, aber keine Zugluft. Im Sommer helfen zusätzliche Ventillatoren, damit sich die Luft bewegt. Horizontalventillatoren sind dafür gut geeignet. Wichtig ist eine Querbelüftung, für einen guten Luftwechsel muss die Längsachse vom Stall quer zur Hauptwindrichtung stehen.
Keine gute Lösung finde ich Lichtfirste, sie sind teuer, und die Sonne scheint dann beiepielsweise genau auf einen Streifen, dort wird es sehr heiß im Sommer und wenn das Licht genau auf die Liegebox brennt, dann ist es für die Kühe auch dort zu heiß. Daher finde ich sogenannte Schettfirste besser, sie haben eine Höhe von 1,5 Metern, mit einem Motor lässt sich die Plane bewegen, man hat eine perfekte Lüftung, ohne dass es zieht und sie sind wesentlich billiger.
Die Kuh muss immer fressen, gut gehen und bequem liegen können. Als Fluchttier muss sie außerdem ausweichen. Das heißt, keine Sackgassen, die Gänge sollten besser um 20 cm breiter sein, damit die Tiere gut aneinander vorbeigehen können, ohne sich zu fürchten. Es rechnet sich, wenn man hier etwas großzügiger plant. Und die Kuh mag keinen Lärm.

Das sind die Grundbedürfnisse für das Wohlbefinden der Kuh. Schauen wir uns die einzelnen Funktionsbereiche genauer an. Worauf kommt es im Liegebereich an?

Wie gesagt ist die Kuh ein Fluchttier, sie schläft etwa eine Stunde, sonst döst sie oder ist mit der Verdauung beschäftigt; sie darf beim Liegen oder Aufstehen nicht behindert werden, die meisten Liegeboxen haben aber zu wenig Kopfraum, die Kuh jedoch möchte freie Sicht und braucht für das Aufstehen und Abliegen genug Platz. Daher müssen die Dimensionen passen, von der Liegefläche nach oben sollen dort etwa 80 cm frei sein.
Liegen wie auf einer Wiese, dazu braucht es ein verformbares Bett mit einer Oberfläche, die der Haut nicht weh tut. Da gibt es Hochboxen mit einer weichen Matte. Neu funktioniert das ganz gut, nach ein paar Monaten ist das Weichmacheröl des Gummis draußen und der Dreck fängt an, auf der Matratze zu kleben. Das ist dann wie Schleifpapier und kann zu Hautschäden führen. Bei Tiefboxen passt die Länge nicht für alle Tiere, die älteren sollen Platz haben und gut liegen, die kleineren Kühe sind halt mehr verschmutzt. Und der Aufbau muss stimmen mit einer Matratzenhöhe von circa 20 bis 25 cm.

Ein weiterer wichtiger Bereich ist der Fressbereich.
Ganz wesentlich, die Kuh muss in Ruhe fressen können, es muss immer was da sein und sie muss gut stehen – das ist ein Muss. Im Fressbereich ist ein Gummiboden zu bevorzugen. Oft ist der Stall auch zu voll, es herrscht Unruhe, wenn nicht alle Tiere gleichzeitig fressen können. Die beste Lösung ist ein Fressstand, auf dem die Kuh zur Gänze drauf steht im Vergleich zu einem Antritt, auf dem die Kuh nur mit den Vorderbeinen steht, das führt zu mehr Klauenproblemen. Wichtig ist, dass die Position beim Fressen passt, also die Aufstallung muss passen, das Fressgitter soll schräg sein, damit die Schultern nicht auf den Stangen auflehnen und die Kuh nicht beim Gitter ansteht; diese ungünstige Position beeinflusst nämlich Lahmheiten bei den Vorderfüßen. Bei Roboterlösungen werden Fressgitter oft eingespart, in einer Futterstation mit einer Durchgangstür kann die Kuh in Ruhe fressen, ohne von den anderen bedrängt und gestört zu werden.

Wenn wir über den Fressbereich sprechen, da gehört auch die Wasserversorgung dazu.
Ganz wesentlich, die 10 cm Troglänge pro Kuh ist meistens zu wenig. Zudem müssen Höhe und Winkel passen. Die Kuh soll jederzeit trinken können, kommen zum Beispiel beim Melkstand sechs Tiere gleichzeitig raus, dann trinkt die ranghöchste Kuh und es dauert sehr lange, bis die letzte Kuh zum Trinken kommt. Besonders aufgrund der heißen Sommer ist es wichtig, saisonal eine zusätzliche Wanne aufzustellen, das kostet nicht viel, bringt aber viel.

Wie schaut es bei den Spezialbereichen wie Gehen, Sozial- und Brunstverhalten aus?
Beim Gehen und Fressen spielt jedenfalls der Boden eine große Rolle, ein weicher Boden bietet Komfort und führt zu weniger Einrissen im Horn und weniger Problemen mit Klauenrehe. Böden müssen jedenfalls rutschfest sein. Besonders im Fressbereich ist darauf zu achten, hier spielt sich auch das meiste Sozialverhalten ab.
Auch im Warteraum und im Melkstand braucht die Kuh Platz und einen guten Boden. Ich beobachte jedenfalls, dass sich alles, das der Kuh nicht taugt, auf die Gesundheit niederschlägt.
Hinweisen möchte ich auch auf die Abkalbebox, welche möglichst nahe beim Melkstand sein sollte. Wegen der Hygiene ist es nicht optimal, Abkalbe- und Krankenbox zu kombinieren. Man sollte auch darauf achten, dass man einen Zugang für den Traktor hat, wenn man ein Tier zum Beispiel heben muss. Bei kleinen Ställen ist das oft schwierig einzurichten, aber zumindest sollte man diese beiden Bereiche separieren können, gerade beim Abkalben ist die Kuh sehr labil. Ab 30 Kühen empfehle ich auch einen fixen Klauenpflegestand, wenn man bedenkt, dass 20 Prozent der Kühe Probleme mit den Klauen haben, dann sind diese 5000 Euro gut investiertes Geld.

Hast du einen Tipp für Auslauf und Weidezugang?
Hier muss die Hygiene stimmen und der Boden muss rutschfest sein. Besonders gut finde ich ein langes – einen Meter breit und fünf bis zehn Meter lang – Klauenbad, bei Bedarf gehen die Tiere durch und wenn es heiß ist, stellen sie sich gerne rein. Beim Weidezugang sind Gummigitter gut geeignet, damit es trockener bleibt.
Ich meine, den perfekten Stall gibt es nicht. Vor allem, wenn ich von einem Anbinde- auf einen Laufstall umbaue, habe ich noch keine Erfahrungen mit dem System. Wenn Probleme auftreten, muss ich jedenfalls schauen, ob es ein bautechnisches Problem ist. Die Ursachen für Probleme werden oft falsch interpretiert!

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Mag. Michael Hulek ist Tierarzt im Raum Mühlviertel, häufig auch im Ausland im Einsatz und Spezialist für Klauenerkrankungen.