Gesunde Euter

© BLE, Bonn/Stephan
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Eutererkrankungen verringern nicht nur die Milchleistung, sondern belasten auch die Tiere. Die wirtschaftlichen Ergebnisse aus dem Low-Input Projekt zeigen, dass Betriebe hier sehr viel Geld verlieren können.

Für den Milchpreis spielen neben den Inhaltsstoffen Fett und Eiweiß auch die Keim- sowie die Zellzahl eine wesentliche Rolle. Die Grenzen zur Erreichung der S-Qualität liegen bei den meisten Molkereien bei höchstens 50.000 Keimen/ml und höchstens 250.000 Zellen/ml. Die Keimzahl ist dabei ein direkter Indikator für die Hygiene bei der Milchgewinnung und die Lagerungs- und Kühlbedingungen der Milch. Die Zellzahl spiegelt die Anzahl von Abwehrzellen in der Milch wider. Diese Abwehrzellen bekämpfen Bakterien im Euter und wirken als „Gesundheitspolizei“. Daher ist eine gewisse Anzahl an Zellen in der Milch (20.000 bis 100.000/ml) immer vorhanden und auch erwünscht.

Gesunde Euter?

Wenn die Zellzahl jedoch ansteigt und Normbereiche überschritten werden, dann ist das ein Zeichen für Entzündungsgeschehen im Euter. Die Grenzen für die Einstufungen zum Eutergesundheitsstatus sind diesbezüglich jedoch fließend, da beispielsweise eutergesunde ältere Kühe eine etwas höhere Zellzahl als jüngere Kühe haben. Auch im Laktationsverlauf steigt, auch bei gesunden Eutern, die Zellzahl leicht an. Auf ein gesundes Euter weisen – je nach Alter, Laktationstag und Rasse – Zellzahlen unter etwa 60.000 bis 135.000 hin. Wenn diese Grenzen überschritten werden, dann kann davon ausgegangen werden, dass das Tier bereits erhöhte Abwehrfunktionen gegen Erreger gestartet hat. Über etwa 200.000 bis 250.000 Zellen ist von eutererkrankten Tieren auszugehen.

Die Aussagekraft von Tankmilchproben ist diesbezüglich eingeschränkter. Sie kann auch nur die Eutergesundheit jener Kühe widerspiegeln, welche auch in den Tank gemolken werden. Tankmilchzellzahlen unter 125.000 weisen für diese Kuhgruppe auf gesunde Euter hin, bei Tankmilchzellzahlen zwischen 125.000 bis 250.000 wurden in Untersuchungen bereits 6 % infizierte Euterviertel und im Bereich von 250.000 bis 375.000 16 % infizierte Euterviertel festgestellt.

Keine Wundermittel

Eine Kuhherde mit guter Eutergesundheit erreicht man nur mit dauerhaftem und konsequentem Handeln. Es gibt dazu keine Alternativen und auch kein Wundermittel. Die Sanierung von erkrankten Herden dauert immer sehr lange und ist auch teuer – daher ist Vorbeugen wichtig. Dabei müssen viele Faktoren beachtet werden.
• Zucht: Zum Standort passende Kuhlinien sind die Basis für gesunde Kühe und Euter. Achten Sie in der Zucht auf Fitness- und Eutergesundheitszuchtwerte und verzichten Sie auf teuer erkaufte Höchstleistungen. Auch Kühe mit hoher Melkbarkeit zeigen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Leistungsgrenzen sind zu akzeptieren.
• Haltung: Nach dem Melken sollten sich die Kühe nicht gleich niederlegen, da der Strichkanal noch nicht vollständig geschlossen ist. Achten Sie auf möglichst saubere und trockene Liegebereiche, dies gilt auch für Böden sowie Triebwege. Verwenden Sie zumindest einmal täglich ein „fettendes“ Euterpflegemittel, damit die Zitzen nicht rau werden. Stress in der Herde erhöht das Erkrankungsrisiko, das betrifft die Haltung (Hitze, Laufgangbreite, Sackgassen etc.), Fütterung (Fressplatzangebot, Nährstoffversorgung, Futterwechsel), Wasserversorgung und den Tierumgang.
• Fütterung: Eine wiederkäuergemäße Fütterung ist die Basis für gesunde Kühe. Setzen Sie nur qualitativ einwandfreies Futter ein. Laktierende Kühe müssen Grundfutter immer zur freien Aufnahme vorfinden, jede Kuh braucht einen Fress- und Liegeplatz. Vielfältige Rationen und langsame Rationswechsel sind besonders wichtig. Verzichten Sie nicht vollständig auf Heu und teilen Sie Kraftfutter nur schonend zu. Sauberes Wasser ist auch hinsichtlich Stress und Zellzahl wichtig.
• Melktechnik: Eine korrekt geplante, gut dimensionierte und installierte Melkanlage ist Voraussetzung für ein zufriedenstellendes Melkergebnis. Grundlage für die Planung und Ausführung ist die ÖNORM/ISO Normenreihe. Regelmäßige Reinigungs- und Wartungsintervalle sichern die optimale Funktionsfähigkeit der Melkanlage.
• Melkhygiene: Sie stellt einen zentralen Punkt in der Melkarbeit dar. Neben dem Vormelken, der Säuberung der Zitzen und dem Anrüsten ist auch Sauberkeit vom Melker gefordert. Einmalhandschuhe reduzieren die Keimübertragung auf die Zitzen während der Melkmanipulationen. In Problembetrieben sind auch Maßnahmen wie Zitzentauchen und Melkzeug-Zwischendesinfektion notwendig. Ständige Wechsel in der Melkroutine (Personal) oder grundsätzliche Melkfehler (Ausmelken, Stress) führen auch zu Euterentzündungen.
• Stechfliegen: Die Verwendung von biotauglichen Repellentien (Aufsprühmittel, Ohr-Klipps) oder von verdünntem Essigwasser (1:1 mit Wasser im Euter/Bauchbereich) kann vorübergehend den Fliegendruck mindern.
• Kontrolle: Die Eutergesundheit muss immer im Blick behalten werden. Erste Anzeichen einer Veränderung sind beim Vormelken im Vormelkbecher oder beim Schalmtest sichtbar. Die Daten der regelmäßigen Leistungskontrolle sind ein wichtiges und geeignetes Instrument, nicht nur um Problemkühe, sondern auch um Veränderungen im Stall rasch zu erkennen.
• Trockenstehzeit: Schalmtestergebnisse, Zellzahlwerte der LKV-Untersuchungen und Ergebnisse der bakteriologischen Milchuntersuchung liefern wertvolle Informationen, um die optimalen tierindividuellen Maßnahmen zum Trockenstellen zu treffen. Der prophylaktische Einsatz von Trockenstellern bei eutergesunden Kühen ist in der biologischen Landwirtschaft nicht erlaubt.
Bei eutergesunden Milchkühen ohne Euterentzündung in der letzten Laktation und Zellzahlwerten von unter 100.000 bei den Tagesberichten wird das Trockenstellen ohne Verabreichung von antibiotischen Arzneimitteln gefordert. Bei verdächtigen Tieren mit Zellzahlwerten zwischen 100.000 und 200.000 ist die weitere Vorgehensweise vom Schalmtest und den Ergebnissen der bakteriologischen Milchuntersuchung abhängig. Nachdem die bakteriologische Milchuntersuchung ein paar Tage in Anspruch nimmt, ist es empfehlenswert, die Untersuchung zwei bis drei Wochen vor dem geplanten Trockenstellen durchführen zu lassen.
Bei leichtmelkenden Tieren, Tieren mit hohen Tagesmilchmengen zum Zeitpunkt des Trockenstellens oder bei Tieren, deren Strichkanal in schlechter Kondition ist (Hyperkeratosen, Warzen, alte Verletzungen) können Zitzenversiegler angewendet werden.
• Homöopathie: Die Anwendung homöopathischer Arzneimittel bei lebensmittelliefernden Tieren ist zu dokumentieren, auch wenn sie keine Wartezeiten verursachen. Die Mittelauswahl ist abhängig von den Symptomen, dem Krankheitsfortschritt und der Reaktion des Tieres. Eine Behandlung mit homöopathischen Arzneimitteln darf nicht dazu führen, dass Schmerzen oder Erkrankungen bei Tieren zu spät, falsch oder unzureichend behandelt werden. Die Homöopathie ersetzt nicht die Sanierung der krankmachenden Umweltfaktoren.

Sanierung ist teuer

Bei Problembetrieben ist ein ganzheitlicher Sanierungsansatz erforderlich. Dabei muss vor allem auch das krankmachende Umfeld (siehe oben) beseitigt werden. Es werden weiters die Problemtiere individuell, aufbauend auf bakteriologische Untersuchungen und in enger Zusammenarbeit mit dem Tierarzt, untersucht und gezielt behandelt. Auch der Abgang von immer wiederkehrenden Zellzahlkühen gehört dazu. Sanierungen sind zeitaufwändig und teuer. Daher sind vorbeugende Maßnahmen zur Sicherung der Eutergesundheit von besonderem Wert!

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Autoren: Priv. Doz. Dr. Andreas Steinwidder und Dr. Leopold Podstatzky, HBLFA Raumberg-Gumpenstein