Keine Zeit für Biohängematte
Wolfgang Machreich führt für DIE FURCHE ° 14 vom 08. April 2021 ein Interview mit BIO AUSTRIA Obfrau Gertraud Grabmann.
„Österreich erfüllt das EU-Ziel von 25 Prozent an biologisch bewirtschafteten Flächen. Für BIO AUSTRIA Obfrau Gertraud Grabmann kein Grund, den Bio-Ausbau zu bremsen. Von der Regierung fordert sie Unterstützung bei der Etablierung von Absatzmärkten.
Gertraud Grabmann kennt die Biolandwirtschaft aus der Praxis. Im Innviertler Sauwald betreiben sie und ihre Familie einen Biobetrieb mit Ochsenmast, Freilandschweinen, Dinkel und Kartoffel. An der Spitze der österreichischen Biobäuerinnen und -bauern steht sie seit 2015.
DIE FURCHE: Frau Grabmann, die EU-Kommission hat ein Bio-Aktionsprogramm vorgelegt. Oberstes Ziel darin ist, die Biolandwirtschaft EU-weit bis 2030 auf 25 Prozent zu erhöhen -wie bewerten Sie diesen Rückenwind für Bio aus Brüssel?
Gertraud Grabmann: Das sehe ich natürlich positiv. Die EU-Kommission prescht mit einem starken Programm zur Stärkung von Bio voran. Der Aktionsplan enthält sowohl Anreize zur Produktions – als auch zur Absatzsteigerung von Biolebensmitteln. Und die Kommission nimmt die Regierungen in die Pflicht, Verantwortung für die Weiterentwicklung des gesellschaftlich erwünschten und ökologisch notwendigen Umbaus der Landwirtschaft durch eine Stärkung des Biosektors zu übernehmen. Ich sehe das als klare Botschaft, dass sich Bio auch in Österreich weiterentwickeln können muss.
DIE FURCHE: In Österreich werden bereits 26 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch bewirtschaftet -wir könnten uns auch zurücklehnen?
Grabmann: Nein, wenn sich jetzt alle in die Hängematte legen, die schon etwas in puncto Ökologie geleistet haben, werden wir die Klimaziele des Europäischen Grünen Deals nicht erreichen. Als europäischer Biovorreiter haben wir eine andere Ausgangslage als manch anderes Land, aber auch wir müssen unsere Potenziale ausbauen, um unseren Beitrag zum europäischen Durchschnitt von 25 Prozent zu leisten.
DIE FURCHE: Wo gehört Bio in Österreich ausgebaut? Was raten Sie Bäuerinnen und Bauern, die überlegen, auf Bio umzusteigen?
Grabmann: Das Potenzial ist breit gefächert: Beispielsweise werden nur etwa drei Prozent der Schweine in Österreich biologisch gehalten. Die derzeit große Nachfrage kann damit nicht bedient werden. Bio-Eier sind stets sehr gefragt, nicht nur zu Ostern, genauso wie Geflügel. Bei Milch werden verstärkt Produzenten für besondere Milchvarianten gesucht, etwa Bioheumilch. Aber auch bei Obst, Gemüse, Wein gibt es ausreichend Potenzial. Verarbeitungsbetriebe und der Handel sind derzeit in vielen Bereichen auf der Suche nach Biorohstoffen aus Österreich.
Die Regierung kann den Absatz von Bioprodukten weiter stärken. In Dänemark gibt es 60 Prozent Bio-Anteil in öffentlichen Küchen.
Gertraud Grabmann
DIE FURCHE: In der Coronakrise ist die Nachfrage nach Bioprodukten stark gestiegen -wie erklären Sie diesen Trend?
Grabmann: So wie in anderen Bereichen ist Corona hier nicht Auslöser eines Trends, sondern Verstärker. Der Hunger der Konsumentinnen und Konsumenten auf Bio wächst seit Jahren kontinuierlich. Die Klimakrise hat Umweltaspekte verstärkt ins Bewusstsein gerückt. Auch der dramatische Rückgang der Biodiversität ist in der Gesellschaft angekommen. All das sind Treiber der Nachfrage nach Bio. Immer mehr Menschen wissen, dass ökologische Nachhaltigkeit eine Kernkompetenz der biologischen Landwirtschaft ist. In der Coronakrise hat sich der Wunsch nach umweltschonend hergestellten, gesunden Biolebensmitteln aus der Nähe noch einmal deutlich verstärkt. Es wird mehr Wert auf die Frage gelegt: Was nehme ich zu mir?
DIE FURCHE: Der Bio-Absatz steigt, gleichzeitig ist das Einkommen der Biobäuerinnen und -bauern laut Grünem Bericht um zehn Prozent zurückgegangen. Wie das?
Grabmann: Grund für den statistischen Rückgang der Einkommen im Jahr 2019 war vor allem der Preisdruck im Getreidemarkt -bedingt auch dadurch, dass in Österreich Biobetriebe leider nur zeitweise in die Bioförderung einsteigen können und daher periodisch viel Ware auf einmal auf den Markt kommt. Ein durchgehender Fördereinstieg würde diese Angebotsspitzen abflachen. Damit Bauern ausreichend Einkommen erzielen, braucht es nicht nur den Marktpreis, sondern auch die richtigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen.
DIE FURCHE: Ist das in Österreich ausreichend der Fall?
Grabmann: Wir haben in Österreich traditionell ein konstruktives politisches Klima, das zur guten Entwicklung der Biolandwirtschaft beigetragen hat. Entscheidend für die Zukunft wird die Frage sein, wie das österreichische Agrarumweltprogramm im Hinblick auf die Biolandwirtschaft gestaltet wird. Nach den aktuellen Plänen würde die Biolandwirtschaft für Bauern deutlich an Attraktivität verlieren. Das würde weniger Biobetriebe und ein Ausbremsen der Bioentwicklung bedeuten. Das entspricht aber nicht dem, was der Markt verlangt. Der Markt verlangt nach mehr Bio. Können wir diesen Bedarf nicht mit Biolebensmitteln aus Österreich abdecken, muss künftig mehr importiert werden. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
DIE FURCHE: Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger vertritt hier die Position, dass „nur wenn die Nachfrage dauerhaft groß genug ist“, die Biolandwirtschaft weiter wachsen kann.
Grabmann: Die Bionachfrage ist seit Jahren ungebrochen hoch -Österreich liegt weltweit an vierter Stelle bei den Pro-Kopf-Ausgaben und an dritter Stelle beim Marktanteil. Die Regierung hat aber durchaus Möglichkeiten, den Absatz von Bioprodukten weiter zu stärken, etwa bei Großküchen in Bundeszuständigkeit. Dort muss man Biolebensmittel derzeit mit der Lupe suchen. Best-Practice-Beispiele dafür gibt es etwa in Dänemark, wo die Regierung 60 Prozent Bio-Anteil in öffentlichen Küchen vorgibt. Diese Unterstützung sowohl der Produktion als auch des Absatzes braucht es, um Bio zu stärken. Ich bin überzeugt, dass genau das sinnvoll ist, weil jeder Hektar, der in Österreich biologisch bewirtschaftet wird, einen Mehrwert für Umwelt und Gesellschaft bringt.“
Das Interview führte Wolfgang Machreich für DIE FURCHE:
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